Trinidad & Tobago
Jeder größere Karibikstaat darf anscheinend früher oder später mal an einer WM teilnehmen - nach Kuba 38, Haiti 74 und Jamaica 98 jetzt also mal Trinidad. Die Qualifikation war knapp, und das über viele Runden, man hatte von allen Teams die meißten Spiele. Nachdem man in den ersten Runden Losglück hatte und lediglich die Dominikanische Republik, Saint Vincent und Saint Kitts rauswerfen mussste, spielte man in der Hauptrunde der Nordamerikagruppe stark mit und erkämpfte sich, vor den deutlich stärker eingeschätzten mittelamerikanischen Konkurrenten Guatemala und Panama, einen Play-Off-Platz gegen Bahrain. Da wars bis zum Schluß auf Messers Schneide, aber mit viel Glück und Courage hat man sich nach Deutschland gezittert.
Was man spielt:
Stark britisch geprägten Fussball mit einer Prise karibischen Wahnsinns - sowohl positiv als auch negativ. Sie haben einige echte Zauberer dabei, spielen allerdings oft völlig chaotisch und mitunter sehr undiszipliniert bzw. einfach foul. Keine andere Mannschaft dürfte so viele abgewichste Hasen im Team haben, es sind einige äußerst erfahrene Fussballgreise am Start. Im Endeffekt sieht es ein bißchen so aus wie das schottische Spiel auf zwei Flaschen Rum und ner handvoll Tüten. Sympathisch, aber eigentlich völlig sinnlos bei ner WM.
Das Personal:
Torwart: 7,5
Geradezu unglaublich besetzt für ne Karibikinsel - drei im britischen Fussball aktive Männer. Kelvin Jack vom FC Dundee in Schottland ist derzeit etwas überraschend die Nummer 1. Absoluter Brechertyp bei 100kg auf 1,90, so wie man es im schottischen Fussball mag. Bekanntester Mann ist sicherlich Shaka Hislop, mit 37 Jahren in England eine Legende und immer noch bei West Ham United aktiv. Der dritte Mann, Clayton Ince, hält bei Coventry City in der zweiten Liga. Das ist ne sensationelle Auswahl für so ein kleines Land.
Abwehr: 4,5
Hier heißt der Star Marvin Andrews von den Glasgow Rangers, ein großartiger, athletischer Innenverteidiger. Um ihn herum Spieler aus unteren britischen Ligen, den USA oder dem Lande das Calypso (Gewöhnt euch schon jetzt an die Formulierung, den Kommentatoren wird nichts anderes einfallen). Als da wären: Dennis Larence, Urgestein bei Wrexham, Partner von Andrews vorm Tor, 2m Riese. Brent Sancho von Gillingham, entweder dritter (!) Innenverteidiger, knapp vor der Abwehr oder Außen, Marlon Rojas von Salt Lake City auf links oder Avery John von New England irgendwo wo gerade Not am Mann ist. Das sind alles ganz alte Hasen, vielleicht ein bißchen langsam und gegen richtig gute Leute wohl etwas überfordert. Aber harte Kämpfer mit ner Menge Wucht bei Kopfbällen. Einzige jüngere Alternative: Anthony Noreiga, neu bei Kansas City Wizards.
Mittelfeld: 5,0
Carlos Edwards von Luton ist der zentrale Ballverteiler, engagierter Mann dem aber wohl auch etwas die Klasse fehlt. Chris Birchall (Port Vale, der einzige weiße Spieler) muss die Aussenbahnen rauf- und runterlaufen (er kann beide Seiten, spielt aber öfters rechts) was er vorbildlich britisch tut. Gilt als ein großes Talent auf der Insel. Angus Eve und Aurtis Whitley (beide spielen in Trinidad) sind eher defensive Varianten, einer von beiden spielt meißtens. Der Name der mir persönlich die Tränen in die Augen treibt ist allerdings der von Russell Latapy. Eines der schlimmsten enfants terrible des Weltfussballs der letzten Jahre, Raser, Säufer, Kokser, Frauen- und Maulheld, Kneipenschläger, Rastaman - der Gascoigne der Karibik. Mit ähnlichen Qualitäten am Ball, zumindest zu seinen besten Zeiten. Die sind ein bißchen her, denn der gute Mann wird nächste Woche 38. Er hat große Zeiten bei Porto, Hibernian und den Rangers gehabt, als einer der wenigen taktisch und technisch hyperbegabten Spielmacher des letzen Jahrzehnts. Wäre er nicht so ein völlig bodenloser Bruder Leichtfuß, dann hätte er wohl eine ganz große Karriere gemacht. So war immerhin noch ne große, die gerade beim FC Falkirk ausklingt. Schön ihn einmal bei ner WM zu shen, auch wenn er an weniger motivierten Tagen den Aktionsradius eines Carlos Valderrama erreicht. Silvio Spann von Yokohama ist eine Alternative für links, wobei da gerne auch Dwight Yorke spielt. Ergänzungsspieler: Densil Theobald (Falkirk), Brent Rahim (Sylvia Norrköping), Leslie Fitzpatrick (Salt Lake City) und ganz neu Ricky Shakes von Swindon. Interessante Leute, viele spielstarke Spieler, aber bis auf Uralt-Latapy keine auf Weltniveau.
Sturm: 5,0
Dwight Yorke sollte der Fussballfan kennen, den Manchester-Granden hat es inzwischen nach Sydney verschlagen. Bei Trinidad ist er mehr Vorbereiter, entweder hinter den Spitzen oder als linker Aussenstürmer. Natürlich nicht mehr so torgefährlich wie einst, aber selbstverständlich ein Klassespieler. Der Mann im Sturmzentrum heißt Stern John, schießt seit vielen Jahren die meißten Tore für Trinidad und ist ein britischer Vollblutstürmer mit jeder Menge Erfahrung. Auch wenn er mehr zweite als erste Liga gespielt hat (zurzeit ist er bei Coventry) ein wirklich starker Stürmer. Falls Trinidad mit zwei echten Spitzen spielt, dürfte Kenwyne Jones von Southampton zum Zuge kommen, jung und kopfballstark. Allerdings auch ein arger Chancentod. Hier heissen die Alternativen Errol McFarlane (Breidablik Kopavogur in Island), Cornell Glen (Colorado Rapids), Colin Samuel (Dundee United) und Jason Scotland (FC St.Johnstone, passen zum Nachnamen natürlich Schottland). Auch das liest sich nicht ganz schlecht, allerdings auch hier wieder deutlich die Überalterungsprobleme. Ohne Tor gehen die aber schätzungsweise nicht aus dem Turnier.
Chancen: Hach, herrjeh, so sympathisch ich diese Altherrentruppe aus lauter Freaks und Zigeunern des Weltfussballs auch finde - ich hab sie viermal in letzter Zeit gesehen und kann mir nun garnicht vorstellen wie das was werden soll. Man hat in jedem Spiel immer ein bis zwei bis zu viertelstündige Aussetzer, in denen man völlig hilflos über den Platz bolzt. Das Konterspiel ist gefällig, aber sehr abhängig von den Geniestreichen einiger gealterter Diven. Im ersten Spiel gegen Schweden stellt sich die Frage wie um alles in der Welt sie mit deren Offensive fertig werden wollen. Gegen England stellen sich eigentlich nur Fragen, und auch Paraguay scheint einfach auf nem anderen Level zu spielen. Nein, das kann nichts werden.