Ja, die Prozentzahl ist natürlich nicht schön, man kann aber auch hier mal mit schnöder Statistik daherkommen und fragen, um wie viele Fälle es sich denn handelt und wie viele potenzielle Einsätze dem gegenüberstehen.
Zudem hat das ja auch noch andere Dimensionen. Wie schaut es z.B. mit Wiederholungstätern aus? Wenn man fragwürdige Vorfälle intern auswertet und man feststellt, der Beamte ist vielleicht mal übers Ziel hinaus geschossen, agiert aber zukünftig korrekt, dann ist das mMn nicht von der Hand zu weisen und auch eine Art der Problembewältigung. Mir stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage, ab wie vielen Fällen wir von "ein paar schwarzen Schafen" oder "institutionellen Verfehlungen" sprechen dürfen?
Am Ende gibt es bzgl. ungerechtfertigter Polizeigewalt ja keinen Diskussionsbedarf. Das darf es nicht geben und darf auch nicht relativiert werden. Niemand hier findet das richtig, auch wenn man sich nicht empört oder wütend ist.
Nichts desto trotz denke ich, dass die aktuelle Entwicklung auch was mit den Menschen in Uniform macht und da ist es eben absolute Scheiße, wenn man Polizeibeamte per se auf Grund ihres Berufs herabwürdigt und als Bullen bezeichnet. Das ist auch "nur" eine Diskriminierung, ebenso wie Rassismus. Darauf zielte meine Anmerkung ab. Das, was man von Polizisten fordert, muss man dann auch bei sich machen. Und ja, natürlich muss der Staatsdiener immer ein bissl besser sein, wie Koppi mal so schön schrieb. Aber, ist das in der Realität überhaupt noch denkbar? Wer will denn diesen beschissenen Job noch machen, wenn er charkterlich, geistig und körperlich zwar der beste Polizist ist, aber anderswo mehr Kohle und das auch noch entspannter verdienen kann? Dann bekommt man halt nur noch den Querschnitt der Gesellschaft und da hat numal jeder seine Baustellen. Nicht schön, aber einfch Realität, an der man arbeiten muss, was aber auch Zeit benötigt und schon gar nicht schneller geht, nur weil mal wieder in den USA Scheiße passiert ist.
Und nein, man ruht sich auch nicht auf unseren schönen Zuständen hier aus, weil es in den USA ja viel schlimmer ist. Vielmehr kommt es vielen Leute so vor, als ob man amerikanische Probleme mal eben auch hier reinprojezieren will, um sich zu profilieren oder weil das Thema Corona nicht mehr so viel hergibt. Zumal, der Tod von dem Menschen bitterer Alltag in den USA ist. Ich habe darauf keinen Bock, weil ich denke, ich muss meinen Beitrag auf andere Art leisten, als in Coronazeiten mich unter Menschenmassen zu begeben und zu demonstrieren.
Man muss mMn aufpassen, dass man die Sache nicht aus dem Rudel laufen lässt, weil das halt das Gegenteil bewirkt. So verstehe ich auch den Artikel aus der Zeit. Man muss nicht gerade jetzt besonders aufgebracht und wütend sein, weil es gerade im Fokus steht, sondern immer bissl an sich und seiner Umgebung arbeiten. Und ich denke, dass wir hier schon deutlich weiter sind und es sich auch weiterhin in die richtige Richtung entwickeln wird...
Natürlich muss so eine Statistik noch genauer angeguckt werden, aber darum sage ich dazu ja auch schon: Das wurde sie. Es ist nicht die erste Untersuchung bezüglich Polizeigewalt. Es gibt viele Reportagen, Berichte, Untersuchungen und Statistiken dazu. Das eben noch zu solchen Praktiken wie Racial Profiling, oder den ständigen "Vorfällen" von Verbindungen in Neonazi-Gruppen. Und das sind nicht einfach nur ein paar Chats, sondern die Weitergabe von Ermittlungsständen, sensiblen Daten und teilweise sogar Waffen und Ausrüstung. Das sind auch IMMER Rechte Gruppierungen. Keine Verbindungen in militante Linke Gruppen, sondern immer in Rechte Gruppierungen. Diese Berichte häufen sich seit Jahren immer mehr an. Die NSU Morde wurden bis heute nie aufgeklärt. Aber wenn dir die Statistik nicht reicht:
Oury Jalloh ist vor 15 Jahren gefesselt und in Polizeigewahrsam spontan in Flammen aufgegangen. Wie man das halt so kennt. Bis heute ungeklärt wie das passiert ist. Strafen hat es nicht gegeben.
Robble Warsame soll sich in seiner Ausnüchterungszelle nach 2 Stunden mit seiner Decke stranguliert haben. An seinem Körper gab es dazu zwar keine spuren, aber hey..
Amad Ahmad verbrannte ebenfalls in seiner Zelle. Die Polizei war 7 Wochen über dessen fälschliches Einsitzen informiert und er ist trotzdem drin geblieben.
Yaya Jambi nahm sich in Haft das Leben, nach dem er für 2 Gramm Marihuana eingesperrt wurde. Darauf gibt es normalerweise nichtmal irgendeine Strafe.
Achidi John und
Laye-Alama Condé starben nach der Verabreichung durch Brechmittel, welches nach diesen Vorfällen als Foltermethode verboten wurde.
https://www.tagesspiegel.de/politik...lor-gibt-es-auch-in-deutschland/25884422.html
Das sind ein paar Namen. Es gibt noch viel mehr. Sowas passiert immer und immer wieder. Das da etwas ziemlich schief und falsch läuft, liegt in meinen Augen recht klar auf der Hand. All diese Vorfälle geben im Mindestens Anlass das ganze Näher zu untersuchen, anstatt es klein zu reden. Eine Reform der Polizei sehe ich aber als mehr als sinnig an. Wieso sollten auch komplett unausgebildete Beamten, den Umgang mit psychisch labilen Menschen übernehmen?
Zu dem anderen Teil:
Genau diese fehlende Empörung und Wut kritisiere ich. Das die Leute das nicht richtig finden, bringt leider gar nichts. Davon ändert sich nichts. Aber dazu habe ich Anfangs auch nicht viel gesagt. Ich hab hier rein geguckt und gemerkt, dass gefühlt die halbe Welt gerade durchdreht und auf den Barrikaden ist und hier war absolut nichts. Als würde das ganze gar nicht existieren. Dann habe ich etwas dazu gepostet und
@Hex hat sich genauso drüber aufgeregt und das wars. Das fand ich dann auch schade und hab das auch noch artikuliert, aber das wars dann so weit für mich. Ich wollte es dabei belassen. Dann tauchte hier dieser Artikel auf und plötzlich waren aber alle da. Anstatt nichts zu dem Thema zu sagen, kamen jetzt plötzlich Beschwerden über den Artikel, die Diskussion um "Bullen" ging los und gleichzeitig wurde von verschiedenen Leuten darüber sinniert, wann und wie und wer ja eigentlich "Neger" sagen könne. Das hat mich letzten Endes dann auch wirklich am meisten gestört. Es gibt ein großes Trara und Geheule, dass die armen Polizeibeamten herabgewürdigt werden, aber meint gleichzeitig rassistische Begriffe diskutieren zu können, oder entscheiden zu können, wann sich jemand beleidigt fühlen darf. Während man bei einer despektierlichen Bezeichnung, die fast schon Alltagssprache ist (Der Bulle von Tölz, Großstadtbulle, etc. ), direkt von Anstand und Respekt erzählt. Genau diesen Anstand und Respekt vermisse ich bei dieser Debatte. Denn ja, ich finde jeder sollte sich persönlich die Frage stellen, wieso es ihn mehr triggert und zu Handlungen bewegt, wenn jemand Bulle sagt, oder ein böser TAZ-Artikel kommt, anstatt exzessive, systemisch-rassistische Polizeigewalt. Das sollte jeden empört und wütend machen. Mehr noch als "Bulle", oder kaputte Scheiben in Stuttgart.
Niemand sagt, dass unbedingt demonstriert werden muss. Es gibt viele Möglichkeiten. Man kann spenden, man kann sich weiter bilden und andere aufklären, oder einfach seine eigene Verhaltensweise in Frage stellen und reflektieren. Und dazu gehört meines Erachtens eben auch diese Frage. Wieso empört es einen nicht so sehr und wieso macht es nicht so wütend, wenn sowas passiert?