Sava, bravo. Du hadt das Statement der ansäsdigen Ladeninhaber zerlegt und sämtliche wesentlichen Inhalte ausgeblendet, sowie den verbleibenden Rest seines Kontexts beraubt und nach Belieben uminterpretiert.
Auf die Idee, dass Anwohner dort
a) nicht zwingend linksradikal sein müssen,
b) einen klareren Blick auf einige Verhältnisse haben könnten
kommst Du leider nicht.
Eine Bemerkung noch: Die Rote Flora zu schließen oder nicht zu schließen hat NICHTS mit der Wahrung von geltendem Recht zu tun.
Das ist so eine Logik wie zu glauben, es gäbe weniger Drogensüchtige, wenn man sie mit klassischer Musik vom Bahnhof vertreibt.
Sorry, eigentlich wollte ich da gar nicht so groß drauf eingehen und auch nicht den Artikel zerpflücken und mir nur die Punkte raussuchen, die meiner Meinung nach Angriffsfläche bieten. Ist mir vielleicht nicht so gelungen.
Möchte deshalb nochmal kurz klarstellen, worum es mir ging.
Ich habe mich vor allem daran gestört, dass erneut die Polizei als eine homogene, Recht brechende Masse hinstellt wird, die (stets) unverhältnismäßig (und damit rechtswidrig) agiert. Zumindest ist das mein Eindruck.
Ich kenne wirklich viele Polizisten persönlich, sowohl in richtig hohen Führungspositionen (z.B. einen Inspektionsleiter), aber auch Kripo-Beamte und Leute aus Einsatzhundertschaften. Mit denen habe ich zwar nicht über den aktuellen Einsatz, aber über die alltägliche Arbeit schon oft gesprochen. Ich kenne somit diese Seite recht gut und denke, dass das Vorgehen in den weit überwiegenden Fällen rechtstaatlichen Anforderungen entspricht. Dass das in der Wahrnehmung der "anderen Seite" sich etwas anders darstellt, ist mir natürlich bewusst.
Die Darstellung, die Polizei würde mal wieder willkürlich vorgehen, halte ich einfach für falsch. Zudem fehlte mir in dem Statement auch ein Hinweis darauf, wie man die Aktionen gegen die Polizei beurteilt. Es wird lediglich angeprangert, dass es Zerstörungswut gegen verschiedene Sachen und Einrichtungen gegeben hat. Warum wurde nicht in einem Satz erwähnt, dass man den bewaffneten Widerstand gegen die Polizei verurteilt? Weil man es nicht tut? Schade, die Chance wurde vertan.
Ich glaube tatsächlich nicht, dass alle Anwohner von Schanze, Altona und Pauli Linksextremisten sind. Und natürlich können diese Leute das vor Ort besser beurteilen als ich, der das Ganze nur im TV verfolgt hat.
Und ich möchte gerne auch anmerken, dass es gut ist, wenn man dort auch von Seiten der Einheimischen partiell eingegriffen hat und dem szenefremden Mob versuchte Einhalt zu gebieten. Dass das nicht alles Linksextreme autonome waren, ist mir schon sehr schnell bewusst geworden. Den eigenen Kiez sauber zu halten ist ja auch bis zu einem gewissen Grad in Ordnung, nur scheint es da eine gewisse Diskrepanz hinsichtlich des Wie zwischen der rechtsstaatlichen Auffassung, die in Gesetzen zu finden ist, und der eigenen zu geben. Das kann ich nicht befürworten, da genau dadurch rechtsfreie Räume entstehen, weil ausufernder Protest und Widerstand geduldet und befürwortet wird. Man meint, man könne das schon selber regeln. Diesen Eindruck gewinne ich nämlich immer mehr und das in vielen Bereichen der Gesellschaft.
Ich habe Vertrauen in den Rechtsstaat, der die von den Gewerbetreibenden genannten Einschränkungen erlaubt. Dass ich deshalb nicht mit jedem Gesetz und seiner Durchsetzung einverstanden sein muss, ist dabei unbesehen. Auch, dass die alternativen Viertel in Hamburg und anderswo nun in ein völlig falsches Licht gerückt werden, ist nicht richtig. Die Berichterstattung der Presse ist da doch teilweise sehr unterirdisch...
Aber so zu tun, als ob das nur die Schuld der Presse, der Politik, der Krawalltouristen und der Polizei wäre, ist ebenso falsch. Mir fehlte in dem Statement irgendwie die Selbstreflektion. Kein Wort darüber, was von der "eigenen Seite" falsch gemacht wurde - Stichwort: Provokation von Polizei, diese grundsätzliche Ablehnung von Uniformierten und deren Beleidigung und teilweise Kriminalisierung. Im Endeffekt stehen die Verfasser des Statement auf der einen Seite und dem entsprechend ist das Statement auch ausgefallen. Von keiner Seite wird aufeinander zugegangen.
Wo soll es denn noch hinführen, wenn man Staat als Institution mit seinen Organen nicht mehr anerkennen will? Leben wir wirklich in einem Unrechtsstaat, in dem Willkür herrscht? Ich glaube nicht.
Wer soll denn das Gewaltmonopol haben? Das es sowas geben muss, ist ja wohl unbestritten. Umwälzungen im Staatswesen vorzunehmen ist ja durchaus möglich. Dazu nutzen wir hier politische Wahlen. Findet sich eine entsprechende Mehrheit, dann kann man Veränderungen vornehmen. Diese politischen Mehrheiten gibt es aber anscheinend nicht in unserem Land. Also bleibt es so und ist so mehr oder minder korrekt. Das muss man akzeptieren.
Ich stehe halt mehr auf der Seite des Rechtsstaates, dem ich Schwächen zubilligen muss und kann. Deshalb wirkt es jetzt vielleicht so, dass ich gegen die Linke bin, was aber nicht der Fall ist. Ich denke jedoch, dass eine gute Idee oder "richtige" politische Einstellung gewisse Sicht- und Handlungsweisen nicht rechtfertigen. Gerade da sehe ich großen Nachholbedarf bei vielen Leuten, die meinen, politisch engagiert zu sein. Ich befürchte, dass diese fehlende Akzeptanz, und auch Toleranz, der Gesellschaft nicht vorwärts hilft. Das linke Spektrum hat doch die Toleranz in ihrer Einstellung als Merkmal verankert. Da darf man doch auch erwarten, dass das auch gelebt wird. Das ist meine Sicht der Dinge.
Und abschließend noch was zur Roten Flora.
Natürlich ist es Quatsch zu glauben, dass eine Schließung oder Räumung etwas ändern würde. Jedoch ist der Laden meines Wissens nach besetzt und zwar widerrechtlich. Das wie und warum ist dabei uninteressant für mich. Darüber haben Gerichte zu entscheiden bzw. schon entschieden. Dort wird verhandelt, manchmal auch ziemlich lange, und wenn ein Ergebnis da ist, dann muss man das umsetzen, selbst, wenn man damit nicht einverstanden ist. Das ist Merkmal von Demokratie.
Es ist auch völlig egal, ob der Hintergrund, die Rote Flora nicht in die Hände von Immobilienhaien zu geben, als korrektes Motiv bezeichnet werden kann. Fakt ist, dass man darüber nicht verhandeln kann, sondern geltendes Recht umgesetzt werden muss. Auch, wenn der Eigentümer ein mieser Immobilienhai und ein Arschloch ist, steht ihm hier in unserem Land zu, dass er zu seinem gerichtlich bestätigten Recht kommt. Dies scheint man in der Schanze nicht akzeptieren zu können. Diese Einstellung, unliebsame Entscheidungen, die in einem (hoffentlich korrekten) rechtstaatlichen Prozess zustande gekommen sind nicht hinzunehmen, führt doch immer mehr zu verhärteten Fronten und befeuert die gegenseitige Gewaltspirale. Aber auf stur stellen und zu glauben, man könne den Rechtsstaat dazu bewegen seine Prinzipien aufzugeben, ist ein Irrglaube und dumm. Das wird nicht zur Deeskalation beitragen, die man immer gerne von der Gegenseite erwartet. Der Einsatz von milderen Mitteln wäre sicher allen recht, nur muss man auch etwas dafür tun, dass das zukünftig passieren kann... Dieses Statement trägt dazu nicht bei, wie ich finde... Es zeigt vielmehr, wie verhärtet die Fronten sind...