Ich hau das hier mal rein, ist ja passend zum Thema
NDR
13.01.2016 13:47 Uhr - Lesezeit: ca.5 Min.
Welchen Weg geht die Landwirtschaft?
von Claudia Plaß, NDR Info
Ein Traktor fährt über ein abgeerntetes Feld. © dpa Fotograf: Stefan Rampfel
Wunschziel ist eine Landwirtschaft, von der sowohl die Erzeuger als auch die Verbraucher profitieren.
Wo kommt das Schnitzel auf unserem Teller her? Wird unser Essen unter fairen Bedingungen produziert? Wie gehen Landwirte mit ihren Tieren und Äckern um? Diskussionsstoff für die Grüne Woche in Berlin gibt es reichlich. Das Thema Landwirtschaft bewegt nicht nur Bauern, sondern auch Umwelt-, Tier- und Verbraucherschützer. In den vergangenen Jahren gingen während der Grünen Woche Zehntausende Menschen gegen Massentierhaltung, das transatlantische Handelsabkommen TTIP oder den Einsatz von Gentechnik auf die Straße. Das Motto der Verbraucherproteste in diesem Jahr:
"Wir haben es satt!"
Ein breites Bündnis, zu dem auch Bauern gehören, hat zur Demonstration gegen die industrielle Landwirtschaft und für den Erhalt von kleinen bäuerlichen Betrieben aufgerufen. Die Aktivisten trommeln lautstark für eine Agrarwende. Aber nicht nur das: Sie fordern zum Beispiel, dass Fleisch und Milch im Supermarkt so gekennzeichnet wird, dass der Verbraucher weiß, woher sein Steak oder seine Wurst kommt, und ob die Kühe im Stall oder auf der Weide gehalten werden.
https://www.ndr.de/nachrichten/audi...-501a-4d2d-8f06-dc5aa91a68e0_theme-ndrde.html
Die Landwirtschaft muss sich ändern
NDR Info - Das Forum - 13.01.2016 20:30 Uhr Autor/in: Plaß, Claudia
Mit dem Motto �"Wir haben es satt!"� machen Umwelt- und Tierschützer mobil, zum Leidwesen des Deutschen Bauernverbandes und vieler Landwirte. Ein Essay von Claudia Plaß.
Druck auf kleine Betriebe wächst
Tausende Hühner in einem Stall eines Geflügelmastbetriebes. © dpa picture alliance Fotograf: Patrick Pleul
Die Massentierhaltung ist einer der großen Kritikpunkte der Tierschützer an der industriellen Landwirtschaft.
Seit Jahren wächst der Druck in der Gesellschaft: Die große Mehrheit der Verbraucher erwartet von den Bauern, dass sie gut mit ihren Tieren umgehen, ihre Äcker schonend bewirtschaften, auf Fruchtfolge und Vielfalt auf dem Feld achten, auf Pestizide und den Einsatz von Antibiotika verzichten und ihre Waren regional vermarkten. Bürgerinitiativen wehren sich gegen den Bau immer größerer Tierställe in ihrer Nachbarschaft.
Im Supermarktregal liegen längst Waren aus der Region, auch Bioprodukte, und viele Landwirte, gerade kleine bäuerliche Betriebe, setzen auf regionale Vermarktung, auf gentechnikfreies Futter für ihre Tiere. Allerdings, und darauf wollen die "Wir-haben-es-satt!"-Demonstranten auch aufmerksam machen, können die kleinen Höfe oftmals nicht mithalten mit der Entwicklung hin zu immer größeren agrarindustriellen Strukturen - das haben auch die vergangenen Jahre gezeigt. Viele kleine Betriebe mussten aufgeben.
"Wir machen Euch satt!" vs. "Wir haben es satt!"
60 Teilnehmer aus M-V auf der Grünen Woche
Für Agrarminister Backhaus ist der Auftritt auf der Grünen Woche eine Selbstverständlichkeit. Den Grünen wäre eine landesweite Vermarktungskampagne lieber. mehr
Wer die Stimmung innerhalb der Landwirtschaft in Deutschland verstehen will, der sollte seinen Blick aber nicht nur auf die "Wir-haben-es-satt!"-Bewegung richten. Neu hinzu gekommen bei der Grünen Woche im vergangenen Jahr ist eine zweite Demo. Eine Gegendemo gewissermaßen. Das Motto: "Wir machen Euch satt!". Bauern wollen dort für eine vorurteilsfreie Betrachtung der modernen Landwirtschaft werben.
Hier fühlt sich ein Teil der Branche offenbar falsch verstanden, zu Unrecht als Massentierhalter, Tierquäler und Umweltsünder in die Ecke gedrängt. Auch der Deutsche Bauernverband reagiert mit einer breit angelegten Kommunikationsoffensive: Die deutschen Bauern, heißt es darin, wollten zeigen, dass sie sich mit Herz, Hand und Verstand um die Natur und ihre Nutztiere kümmern.
Stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis noch?
Eine Frau mit einem T-Shirt auf dem der Slogan "Milch ist ihren Preis wert" steht, streichelt vor Beginn einer Demonstration von Milchbauern aus ganz Deutschland vor den Toren der Sachsenmilch AG im sächsischen Leppersdorf eine Kuh. © ddp Fotograf: Norbert Millauer
Viele Landwirte haben nach dem Fall der Milchquote mit den niedrigen Preisen zu kämpfen.
Viele Argumente der Bauern sind dabei durchaus nachzuvollziehen. Zum Beispiel, dass allein die Größe eines Hofes nicht per se tierquälerische Massentierhaltung bedeutet. Auch, dass ein Legehennen-Halter im Emsland nicht anders kann als auf Masse zu setzen: Er hat viel Geld in seinen Stall investiert. Um nicht nur kostendeckend zu arbeiten, sondern auch noch zu verdienen, muss er 30.000 Hühner halten. Denn an jedem Ei verdient der Bauer in der Regel nur einen Cent. Der finanzielle Spielraum für artgerechte Hühnerhaltung ist gering.
Auch viele Milchbauern sind in der Bredouille: Sie plagt die geringere Nachfrage nach Milchprodukten in China, außerdem der Fall der Milchquote im Frühjahr vergangenen Jahres. Der Preis, den ein Milchbauer für einen Liter Milch bekommt, rutschte in den Keller: auf 26 Cent. Inzwischen liegt er bei etwa 30 Cent. Viele Schweinebauern beklagen eine ähnliche Situation: Sauenhaltung und Ferkelaufzucht sind derzeit ein Minusgeschäft. So sind die Preise, die ein Landwirt für ein Ferkel bekommt, im ersten Halbjahr 2015 gegenüber dem Vorjahr eingebrochen - um bis zu 22 Prozent.
Exportstrategie sorgt für viel Kritik
In der Krise fordert der Deutsche Bauernverband zum Beispiel von der Politik, neue Exportmärkte für Schweinefleisch zu erschließen. Aber genau diese Exportstrategie sorgt für viel Kritik auch bei Landwirten: Man könne nicht immer nur auf Export setzen, auf billige Überschussproduktion für den Weltmarkt. Denn Agrarindustrie, das bedeutet eben Massenproduktion, und das möglichst billig, unter Bedingungen, die oftmals weder artgerecht für die Tiere noch umweltschonend sind. Die Auswirkungen dieser Entwicklung bekommen die Tiere, die Natur, und letztlich die Verbraucher zu spüren - Stichworte: Antibiotika-Einsatz bei Hühnern und Schweinen, Monokulturen auf den Äckern, Pestizid-Rückstände im Grundwasser.
In der Krise liegt auch eine Chance
Kritiker fordern ein Umdenken, auch vom Bauernverband. Es müsse vielmehr darum gehen, Qualitätsprodukte aus der Region zu liefern, die unter fairen Bedingungen hergestellt wurden. Tatsächlich beteiligen sich viele Landwirte an Tierwohl-Initiativen. Sie sorgen zum Beispiel dafür, dass ihre Schweine mehr Platz und Auslauf im Stall bekommen.
Experten sagen, die jetzige Krise biete auch beim Bauernverband wirklich eine Chance zum Umlenken - vor allem hin zu mehr Tierschutz. Und das, so ihre Meinung, müssten sich die Landwirte entsprechend vom Verbraucher bezahlen lassen.