Blake
Schnucki
Tales of Decadence, Part 2.
Um 8:10 klingelte der Wecker. Nachdem es am Freitag ja etwas später wurde, war das für mich mitten in der Nacht. Apropos Nacht, ich hab noch 5 Minuten von irgendeinem Western im ZDF geschaut, während ich eine Nachricht bekommen habe, ich solle ein Foto der Dame, die mich auf mein Zimmer begleitet habe (nur mal so am Rande, das war ein Scherz im Vorfeld, ich bin natürlich allein ins Bett ), schicken, was ich mit einem abfotografierten Pferdehintern aus eben jenem Western quittiert habe. Ja. Ähem, weiter im Text. Viertel neun, ich kugel mühsam aus dem Bett, der Kater aus der Hölle meldete sich dann doch. Erstmal duschen. Herrlich! Und verdammt, diese Dusche war größer als mein komplettes Bad in Würzburg ! Es gab auch zwei Duschköpfe, einen von der Decke und einen vorn an diesem Schlauch (gibts dafür einen Fachbegriff?). Schlau wie ich bin, hab ich natürlich erkannt, dass man am Nupsi (auch hier höchst fachmännisch beschrieben ) ziehen muss, damit Wasser aus dem Schlauchkopf kommt. Logisch. Leider lag ich falsch, es war genau andersrum, sodass ich erstmal nen Schwall arschkaltes Wasser inne Fresse bekommen hab. Jetzt war ich wenigstens wach. Auch gut. Zum Frühstück hab ich dann nen Pulli drübergezogen, ich konnte ja schließlich nicht mit so einem popeligen, achtzehn Jahre alten Bandshirt im Vier-Sterne-Hotel, neben dem auch noch ein Golfclub ist, zum Frühstück! Ja. Äh, ich bin aufgefallen. Nur Meddler, überall Meddler! Diese Meddler müssen ja abartig reich sein, wenn sie sich einen Aufenthalt im Vier-Sterne-Hotel leisten können . Nach Unmengen Kaffe und O-Saft, einem Schinken- und einem Käsebrötchen, fünf Nürnberger Bratwürsten und zwei Mandarinen war ich dann auch wieder fit . Erstmal zuhause anrufen, etc. pp., dann gab es eine Fußwanderung durch Geiselwind. Leider hatte ich da nicht allzu viel zu tun, so groß is das ja nich. Aber es ging auf 12 Uhr zu, ich hatte Hunger. Blöderweise hatte das Restaurant im Hotel geschlossen. Die Alternative, die ich mir rausgesucht habe, auch. Ein Restaurant hab ich gefunden, da gings dann also rein. Auf dem Tisch thronte mächtig der Pappaufsteller einer Bayreuther Brauerei, der meinem schwachen Geiste befahl, ein Zwickl zu bestellen. Lecker. Dazu gabs Steak, leider komplett durch gebraten, mit Pommes und Salat aus dem Eimer. Das Fleisch war aber trotzdem ganz gut. Zurück zum Hotel hab ich dann Zeit totgeschlagen, bis es wieder in der Halle losging.
Um 15:20 trafen dann auch die restlichen Würzburger Blödel ein, überreichten mir meine Kutte, nachdem am Vortag alle verwundert gefragt hatten, wo ich den Lappen denn gelassen habe, und wir gingen an die "Schenke" (Sari hat treffend angemerkt, dass es dort eigentlich Freibier geben müsste ).
Die erste Band des Tages war Oversense. Modernes Gedöns mit viel Pop-Appeal. Nein, musste nicht sein, es wurde dann doch erstmal wieder gebierbankt.
Als nächster lokaler Opener standen Noctura aus Würzburg auf der Liste. Weil zwei Bandmitlieder mit bei uns im Breeze-Camp waren, sind wir halt vor. Neoclassical Black Metal spielen sie laut eigener Aussage. Ja. Nein. Kitschgeböller mit sinnlosem Skalengewichse auf der Gitarre und dem überflüssigsten ABBA-Cover aller Zeiten. Ein Kumpel beschrieb das als "neue CoB nur halt in richtig kacke". Sorry Jungs, ihr seid sicherlich fähige Musiker, aber das war nix.
Der Platz vorne wurde aber verteidigt, waren doch danach Hell dran. Zwar haben sie nur das Nötigste angekarrt, also weder Bühnenbild noch Kostüme, abgeliefert haben sie aber allemal! In a world, devoid of divinity, only the human remains! sprach es verheißungsvoll zu Gehennah Incendiis aus den Boxen. Auftritt Band, Age of Nefarious. Top! Der Gesang war leider ein wenig leise abgemischt, hatte ich zumindest das Gefühl. Schade, denn ich mag die völlig wahnsinnige Stimme von Dave Bower unglaublich gern. Apropos Wahnsinn: Als ausgebildeter Schauspieler kauft man ihm seine Rolle erschreckender Weise wirklich ab. Grandioses Stageacting, Mimik, Gestik, da passt echt alles. Highlight war natürlich der Exorzismus einzelner Besucher während Blasphemy and the Master . Nach nur vier Songs stand auch schon das Ende an, das Dave Bower völlig trocken mit "Christmas Bash! We are a truely festive band - we're Hell from England, formerly of Europe. We hope that you all have been good boys and girls. But even more, we hope that you have not been good boys and girls!" Herrlich! Beim abschließenden On Earth As It Is in Hell war nochmal gemäßigtes Abgehen angesagt, der Vortag hing halt doch noch in den Knochen.
Zu Gloryhammer sind wir wieder ein Stück nach hinten. Ja, lustig wie immer, Pflichtaufgabe. Allerdings hat Fake-Chris verdächtig viel am Keyboard rumgehampelt, würd mich mal interessieren, wie viel er tatsächlich gespielt hat. Der Sound war aber überraschend gut und differenziert, Thomas Winklers überragende Performance kam dementsprechend gut zur Geltung. Bei Universe On Fire wurde aber der Bass hart nach oben geregelt, so klang das wirklich wie eine astreine Diskoversion .
Weil meine Idioten während Rage zum Essen sind, hab ich dann wieder die Forumstruppe belästigt, mit denen ich dann auch wieder nach vorne bin. Manchen Bands stehen Frischzellenkuren nicht sonderlich gut. Ganz anders bei Rage. Söldnertruppe? Vielleicht, aber geschenkt. Ein überragender Auftritt, der recht mutig gleich mal mit dem Titeltrack der aktuellen Scheibe eröffnet wurde. Und der stand dem übrigen Material (bei dem mit Don't Fear the Winter und End of All Days die Latte sehr hoch gelegt wurde) in nichts nach. Höhepunkt war dann Higher Than the Sky am Ende, inklusive exzessiver Mitsingaktion und einem bravourös vom Gitarristen dargebotenen Holy-Diver-Snippet. Geil. Zu diesem Zeitpunkt trotz überragender Hell die bisher beste Band des Festivals.
Orden Ogan wurden dann von oben begutachtet. Hier kann ich dasselbe wie immer schreiben. Nette, ewige Vorband, die mit We Are Pirates ihren besten Song schon an dritter Stelle verbraten haben. Kann man immer mitnehmen, tut aber auch nicht weh, wenn mans lässt.
Danach kam mein schlimmster Alptraum im Form von J.B.O. Nachdem ich mein Steakbrötchen (nur zu empfehlen, das war richtig lecker!), schon in der Umbaupause verspiesen hatte, hatte ich an dieser Stelle nix zu tun. Zum beschissensten Sound des Festivals (echt, welcher Schimpanse hat da an den Reglern gespielt? Der bisherige Tag klang richtig gut.) wollten wir eigentlich wieder bierbanken. Bummdummdödelringeldingeldei (ich weiß nicht, wie der Song heißt) und Bolle waren ja noch ganz witzig. Bei Verteidiger des wahren Blödsinns stirbt der kleine Manowarrior in mir (ja, den gibts) immer bisschen mehr. Beim DJ-Ötzi-Cover war dann aber die Schmerzgrenze erreicht. Nichts wie raus! Also sind wir zu sechst in einen Kleinwagen auf dem Parkplatz, haben die Battalions of Fear in den Player und feinstes oberfränkisches Bier verköstigt. War sehr lustig .
Zu Saxon ging es dann wieder in die Halle. Man glaubt kaum, dass die Herrschaften, die derart souverän und agil auf der Bühne agieren, zum Großteil in ihren Sechzigern sind! Kraftvoll, spaßig und einfach 100% Heavy Metal. Schön fand ich auch, dass in Gedenken an Lemmy eine arschgeile Version von Ace of Spades gespielt wurde. Klar kann man kritisieren, dass bei einem derart umfangreichen Backkatalog wie dem von Saxon auf Coversongs zurückgegriffen wird, aber gerade als Biff darf man das. Leider fielen einige Hits wie Power & The Glory der knappen Spielzeit zum Opfer.
So, und jetzt die beste Band der Welt. Blind Guardian! Es ging so weit vor wie nur möglich. Dort hatte ich noch eine nette Unterhaltung mit einem Herren, der die "Sticker" auf meiner "Jacke" bewunderte, bei denen es sicherlich total nervig ist, die abzumachen. Äh, ja Eröffnet wurde wieder fulminant mit The Ninth Wave, was ich immer noch nicht so toll finde, so überambitioniert und überladen der Track eben ist. Nu ja. Aber ab dann wars einfach nur völlige Ekstase! Ich habe aus voller Kehle falsche Töne mitgegröhlt, meinen Fuchteltanz aufgeführt und bis auch sonst völlig ausgerastet. Die komplette IFtOS live ist schon mal was Besonderes. Leider gabs danach nur noch den Bard's Song und Valhalla, ohne Mirror Mirror bin ich nach einem BG-Konzert noch nie ins Bett. Aber daran war die Orga schuld, man hätte auch einfach auf Randbespaßung wie Axtkloppen verzichten und den ganzen Spaß ne Stunde nach vorne schieben können. Einziger Wermutstropfen eines sonst durch und durch gelungenen Festivals.
Nachdem ich ausgecheckt hatte und wieder in Würzburg war, gings dann gleich nahtlos zum obligatorischen After-Festival-Frühschoppen mit Weizen und Weißwurst. Die Knochen und Muskeln haben sich zwar gesträubt, zum Kumpel zu laufen, aber dort angekommen wars wieder lustig. Und lecker. So lässt man doch gerne ein Wochenende ausklingen .
sehr schöner Bericht
Du hattest übrigens eine Regendusche