EMI plant werbefinanzierte Tauschbörse
Unter dem fortwährenden Druck durch Raubkopien und P2P-Börsen lässt sich die Musikindustrie auf Experimente ein, die vor kurzem undenkbar waren. Jetzt erlaubt EMI die P2P-Verteilung von Songs als Schnupperangebot - und setzt auf Refinanzierung durch Werbung.
Die Musikindustrie startet ein gewagtes Experiment um illegal gebrannte CDs zu vermindern.
Als erste der großen Musikfirmen hat EMI einen Vertrag mit Qtrax unterzeichnet, einem Service, der noch in diesem Jahr per Peer-to-Peer-Verfahren Songs verteilen will. Qtrax setzt dabei auf ein Mischmodell aus kostenloser Verteilung und Zahlung: Die Songs sind mit einer DRM-Software geschützt, die sicherstellen soll, dass man sie fünfmal kostenlos hören kann. Danach lassen sie sich per Zahlung endgültig freischalten.
Doch selbst wenn dies nicht geschieht, verdienen Qtrax und EMI an dem Modell, denn die Haupteinnahmequelle soll Werbung sein, die zwischen den Partnern aufgeteilt wird. Noch vor Jahresende hofft Qtrax, Verträge mit allen großen Labels unter Dach und Fach zu haben, vorher geht der Service nicht online.
Interessant ist der Partner in dem Deal, der für die ängstlich um ihre digitalen Waren besorgte Musikindustrie einen enormen Schritt darstellt: Noch vor wenigen Jahren schreckten die Labels selbst vor einem direkten Verkauf von Liedern über das Internet zurück. Hinter Qtrax steht auf dem Umweg über die Firma LTDnetworks die Technologie-Holding Brilliant Technologies, die sich auf den Aufkauf und auf Vermarktungsstrategien für existente, aber bisher nicht kommerziell genutzte Techniken spezialisiert hat. LTDnetworks war es bereits im März gelungen, einen Vertrag mit führenden amerikanischen Musikverlagen zu schließen.
Damit zeichnet sich ab, wohin die Reise gehen könnte im Kampf der Musikindustrie gegen die kostenlosen, aber unlizenziert operierenden P2P-Börsen: Es scheint auf einen Mix aus Verkaufseiten einerseits und Schnupperangeboten andererseits hinauszulaufen, die den Optik und Gefühl der freien P2P-Szene - verbunden mit Appetizern - bewahren sollen.
Das ist eine Werbegeschenk auf Zeit, könnte aber zumindest den Stöbertrieb der P2P-Gemeinde befriedigen: Das absolute Gros der aus P2P-Börsen heruntergeladenen Songs wird nur wenige Male gehört - und landet dann ungenutzt auf Festplatten, CD-Roms oder versandet in anderen Formen des digitalen Nirvanas.