CD-Kopierschutz - Verbraucher verunsichert
| 11.11.05 |
Der Patzer einer britischen Software-Firma könnte sich schon bald zu einem kleinen Desaster für die Musikindustrie entwickeln.
Von Renate Grimming
Vor allem Sony BMG steht derzeit wegen eines auf Musik-CDs in den USA erprobten, heftig umstrittenen Kopierschutzes der Firma First 4 Internet im Fadenkreuz der Kritik. Und unter den Verbrauchern nimmt die Verunsicherung zu: Nach jüngsten Medienberichten soll der vorweihnachtliche Absatz von Sonys Musik-CDs in Amerika bereits deutlich rückläufig sein.
„Das ist alles sehr verwirrend, was die Musikindustrie zur Zeit mit Kopierschutzverfahren macht", sagte Sven Hansen, Fachredakteur der Computerzeitschrift „CT“. „Als Kunde will ich doch einen Künstler kaufen und nicht eine Technologie.“
Wie ein Computervirus
Laut einem Bericht der „Financial Times“ vom Freitag wird Sony BMG wegen der Nutzung des gefährlichen XCP-Kopierschutzes in Kalifornien bereits mit drei Klagen von Verbrauchern konfrontiert. Experten hatten bereits eindringlich davor gewarnt, dass die Software ähnlich wie ein Computervirus agiert und möglichen Schadprogrammen eine willkommene Hintertür auf Computern öffnen kann.
Inzwischen sei eine ganze Welle von Computerviren im Internet unterwegs, die die XCP-Hintertür als „Trojanisches Pferd“ ausnutzen, schlug der Branchendienst „c´net“ am Freitag Alarm. Die bislang nur theoretische Möglichkeit eines Missbrauchs habe sich jetzt bestätigt, sagte der Karlsruher Virenexperte Christoph Fischer. Davon betroffen seien allerdings derzeit nur Nutzer, die eine aus den USA stammende Musik-CD von Sony BMG auf ihrem Rechner abgespielt hätten. Die meisten Antiviren-Programme seien inzwischen in der Lage, die entsprechenden Dateien zu erkennen. Nach bisherigem Kenntnisstand sollen nur wenige CD-Titel mit XCP bestückt worden sein.
Umsatzrückgänge
In den vergangenen Jahren haben alle großen Musikkonzerne verschiedene technische Verfahren erprobt, um das Kopieren von Songs auf einer CD zu verhindern. Das illegale Kopieren macht die Industrie seit langem für massive Umsatzrückgänge verantwortlich.
„Es kann sich heute keiner mehr leisten, Urheberrechte nicht zu schützen", sagte Hartmut Spiesecke, Sprecher des Bundesverbands der Phonografischen Wirtschaft. Es müsse selbstverständlich auch künftig die Möglichkeit geben, dass Kreative hier zu Lande wie überall ihr Geld verdienen können. Die Industrie setzt deshalb seit einigen Jahren auf das digitale Rechtemanagement und verschiedene technische Ansätze von Kopierschutz.
Konsumenten gehen vor
Mit einem neuartigen digitalen Rechtemanagement wollte Sony BMG nun erstmals nicht nur die Musik-CDs vor massenhaftem Raubkopieren schützen, sondern den Käufern auch das Recht auf einige Privatkopien einräumen. „Das Thema der Privatkopie ist durchaus ein Problem, aber wir müssen in erster Linie an die Konsumenten denken", sagte Maarten Steinkamp, Europa-Chef der Sony BMG Continental Europe. Nach der heftigen Kritik an der neuen Lösung musste das Unternehmen allerdings deutlich zurückrudern. Die umstrittene Software XCP werde es in Europa nicht geben, unterstrich Steinkamp.
Bei den Verbrauchern waren schon frühe Versuche solcher Schutzmaßnahmen auf wenig Gegenliebe gestoßen, denn in der Praxis ergaben sich immer wieder zuvor nicht berücksichtigte Fallstricke. In der Regel sollten alle herkömmlichen Verfahren das Kopieren generell unmöglich machen und dem Verbraucher kein Recht auf die Privatkopie einräumen. Und da das Umgehen eines Kopierschutzes für Computerfachleute ein immer kleineres Problem darstellte, sollte vielfach gleich das Abspielen auf einem PC verhindert werden. Doch in diesem Punkt lauerten neue Tücken: Solche Scheiben ließen sich vielfach nicht auf allen CD-Playern abspielen. Der Grund: Vor allem in günstigen Standard-Playern sowie in leistungsfähigen Geräten für das Auto verwenden viele Hardwarehersteller PC-Laufwerke. „Für den Verbraucher ist das eine unmögliche Situation", sagt Hansen.
Sensible US-Verbraucher
Inzwischen soll die ursprüngliche Begeisterung für DRM innerhalb der Musikindustrie in leichte Ernüchterung übergegangen sein. Universal verzichte bereits gänzlich auf einen Kopierschutz auf ihren CDs, sagt Hansen. Und zahlreiche aktuell im Handel erhältliche Musik-CDs trügen heute zwar noch den Hinweis auf einen Kopierschutz, würden aber gar keinen mehr nutzen. Vor einiger Zeit habe die Industrie für Test neuer DRM-Verfahren ihre „Spielwiese“ von Europa in die USA verlagert. „Doch die US-Verbraucher gelten als sehr sensibel, die Deutschen lassen sich da mehr gefallen", sagt Hansen. Aus Konsequenz zerren die amerikanischen Verbraucher den Plattenriesen nun vor Gericht.
(dpa)