Ja, ich frag mich halt ob gutes Fleisch wirklich so teuer sein muss. Ich will ja gar kein Biofleisch, ich will einfach nur gute Qualität aus artgerechter Haltung. Bio ist ja noch viel mehr als artgerechte Haltung.
Inwiefern mehr?? Für mich definiere ich Artgerechte Haltung schon als "bio"...
"bio" ist zum einen eine Idee, die eine bäuerliche anstelle einer agrarindustriellen Landwirtschaft favorisiert. Dahinter steht das Konzept von Nachhaltigkeit (Schutz der ökologischen Grundlagen bei gleichzeitiger ökonomischer Sicherheit und sozialer Gerechtigkeit). Damit ist eine Form von Landwirtschaft gemeint, die dauerhaft dazu in der Lage ist, eine Weltgemeinschaft von mehreren Milliarden Menschen dauerhaft und sicher zu ernähren, ohne die natürlichen Grundlagen (Böden, Grundwasser etc.) zu belasten oder gar zu zerstören.
Ein Großteil der sogenannten "konventionellen" Landwirtschaft vermag dies heute nicht zu leisten, weil die politischen Rahmenbedingungen nicht gegeben sind. Verantwortlich dafür sind nicht die Bauern, sondern vor allem die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen: Die europäische Agrarpolitik (GAP) sowie die Schaffung globaler Märkte für landwirtschaftliche Produkte (durch WTO- und EU-erzwungene Abbauten von Handelszöllen) führen zu einem weltweiten Wettbewerb für Nahrungsmittel. Klar, dass auf diese Weise nur derjenige überleben kann, der sich diesem Wettbewerb durch Rationalisierung und Kosteneinsparung zu stellen vermag.
Das Problem daran: Die "eingesparten" Kosten werden mittel- und langfrisitg nicht wirklich gespart, sondern auf die Gesellschaft und deren Nachkommen umgelegt:
- durch Überdüngung der Böden mit Stickstoff (Eutrophierung der Gewässer)
- durch Verlust der Artenvielfalt (=Verlust genetischer Vielfalt) => Anfälligkeiten für Krankheiten, Seuchen etc.
- durch die mit der Spezialisierung einhergehende Entkoppelung von Futtermittelanbau und Aufzucht => Zukauf von Futtermitteln, vor allem von eiweßhaltigem Kraftfutter aus Soja, darunter sehr viel Round-up-ready-Soja (genmanipuliert) aus Südamerika (Monokultur, Rodung von Regenwäldern, Vertreibung von Kleinbauern usw.)
- Um die Preise für die Abnehmer (=Discounter) niedrig zu halten, wird die LW in Europa massiv subventioniert. Das führt zwar zu niedrigen Preisen, aber auch zu extremer Überproduktion. Überschüsse werden dann auf dem Weltmarkt verkauft und zerstören dort regionale und lokale Märkte.
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Die Idee "Bio" versucht, an verschiedenen Punkten anzusetzen, um diese negativen Effekte zu reduzieren.
Das Bio-Siegel greift diese Ideen grundsätzlich auf und setzt sie rechtsverbindlich in zentralen Punkten durch festgelegte Vorgaben um, etwa im Verbot zahlreicher Pflanzenschutzmittel etc.
Allerdings gibt es in Zeiten, in denen auch der Bio-besiegelte Markt zunehmend von Discountern bedient wird, berechtigterweise Zweifel, inwiefern ein von Aldi und Co. vertriebenes Bioprodukt einerseits rationalisiert-massenhaft und zugleich nachhaltig erzeigt werden kann. Hier ist die Gefahr der Kontakarrierung der Bio-Idee besonders groß, und je süßer das Geld lockt, desto größer ist die kriminelle Energie (siehe Dioxinskandal vom vorletzten Jahr).
Gleichzeitig ist nicht gesagt, dass konventionelle LW grundsätzlich un-nachhaltig sein muss: Es gibt überall Nischen, in denen nachhaltige Landwirtschaft betrieben wird, die kein Bio-Siegel trägt. Gerade regionale Produkte sind oftmals (nichtimmer!) sehr viel nachhaltiger als die Bio-Kiwi aus Neuseeland. Allerdings gilt hier: Im Winter hat die Orange aus Südamerika eine bessere CO2-Bilanz als jede Treibhausgurke aus den Niederlanden => Transport ist nicht alles.
Dennoch bin ich davon überzeugt, dass das Bio-Siegel sinnvoll ist, da nunmal nicht jeder (Stadt-)Bürger die Möglichkeit hat, sich ständig über die Herkunft seiner Nahrung zu informieren. Insofern bietet das Bio-Siegel verlässliche, da regelmäßig geprüfte, Sicherheit über eingehaltene Mindest-standards bezüglich der Nachhaltigkeit des erworvbenen Produkts. Eine Garantie oder Sicherheit dafür kann es jedoch nicht geben.
Was die Tierhaltung angeht: Das ist letztlich ein ethisches Problem mit vielen Dimensionen:
1. Was ist überhaupt artgerecht? Gesucht wird im Idealfall eine Haltungsform, die dem Tier im Leben und im Sterben Leid (= Schmerz und Stress) erspart. Dummerweise haben Tiere aber ganz andere Bedürfnisse diesbezüglich. Menschliche Maßstäbe gelten hier somit nur bedingt (Fee = Expertin).
2. Das zeigt ich z.B. beim Schlachten: Gerade die modernen vollmaschinisierten Massenschlachthöfe sind manchmal viel "effizienter" bei der Beruhigung und Betäubung der Tiere als kleinere Betriebe, in denen vieles noch von Hand, aber eben auch mit entsprechendem menschlichem Versagen geschieht.
3. Das gleiche gilt für die Haltung: Masse allein ist nicht der Grund für tierquälerische Haltung. Erst wenn Masse die Folge von Rationalisierung und Gewinnmaximierung, d.h. von einer ausschließlich ökonomisch motivierten Landwirtschaft ist, wird klar, dass artgerechte Tierhaltung kein Kriterium mehr darstellt. Massentierhaltung ist also nicht grundsätzlich die Ursache von Tierleid, sondern eher Symptom des (bislang) dahinterstehenden Prinzips der agrarindustriellen Landwirtschaft.