Mal zur bösen, undemokratischen Türkei... da ist mit Sicherheit nicht alles ideal, aber die Gewaltenteilung scheint zu funktionieren.
Erdogan-Partei droht Verbot in der Türkei
Der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan droht ein Verbot.
Das Verfassungsgericht in Ankara nahm den Verbotsantrag der Generalstaatsanwaltschaft an und setzte damit das Verfahren gegen die größte Partei im Land offiziell in Gang.
Chefankläger Abdurrahman Yalcinkaya wirft der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) vor, sie wolle einen islamistischen Gottesstaat errichten. Als Argument verweist Yalcinkaya unter anderem auf den kürzlichen Parlamentsbeschluss zur Freigabe des Kopftuchs für Studentinnen.
Bis zu einem Urteil werden zwar noch Monate vergehen, doch dürfte das Verfahren die politischen Spannungen in Ankara weiter verschärfen. In seiner 162-seitigen Anklageschrift zitiert Yalkcinkaya die Äußerungen zahlreicher AKP-Vertreter, darunter auch Erdogan, und fordert politische Betätigungsverbote für den Ministerpräsidenten sowie für Staatspräsident Abdullah Gül und 69 weitere Politiker.
Die AKP hat nun einen Monat Zeit, um eine Verteidigungsschrift bei Gericht einzureichen; sie kann auch noch eine Zusatzfrist beantragen. Bis ein Urteil fällt, können beide Seiten weitere Beweismittel bei Gericht einreichen.
Für das Verbot einer Partei sind die Stimmen von sieben der elf Verfassungsrichter nötig; acht der derzeitigen Richter gelten als Gegner der AKP.
Das Verbotsverfahren ist Teil eines Machtkampfes zwischen den Kemalisten, die sich auf Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk berufen und zu denen auch die Justiz des Landes gehört, und einer fromm-konservativen Mittelschicht, die von Erdogan angeführt wird.
Der Ministerpräsident hatte bereits kritisiert, dass in dem Verbotsverfahren zwar auf die Freigabe des Kopftuches verwiesen werde, doch der Generalstaatsanwalt nicht gegen die nationalistische Partei MHP aktiv geworden sei, die den Kopftuchbeschluss zusammen mit der AKP durchgesetzt hatte.
Vor fast genau zehn Jahren hatte das türkische Verfassungsgericht die Wohlfahrtspartei des ehemaligen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan verboten, und einige Jahre später auch deren Nachfolgerin, die Tugendpartei.
Erdogan, Gül und viele andere AKP-Spitzenpolitiker waren vor der Gründung der AKP im Jahr 2001 Mitglieder dieser beiden Parteien. Die AKP versteht sich selbst aber nicht als islamistische Partei, sondern als wertkonservativ-demokratische Organisation.
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Bei den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr hatte die AKP fast 47 Prozent der Stimmen erhalten; im Parlament verfügt sie über 340 der 550 Sitze.
© AFP
Quelle:
web.de