Das deutsche Kabarett ist auf dem Terror-Auge blind
"Schuld sind im Zweifel immer "wir", vor allem "wir Deutsche". Dass derzeit Millionen Muslime in dieses böse Deutschland flüchten, spielt keine Rolle. Horst Seehofer ist schlimmer als Putin, Assad und Kim Jong-un zusammen, Amerika der wahre Feind der Menschheit, und der "Neoliberalismus" hat Griechenland auf dem Gewissen. Blutrünstiger Vollstrecker: Wolfgang Schäuble."
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Zugleich ist dieses linke Bauerntheater auch ein maßgeschneidertes Convenience-Produkt für die Besserfühlenden, ein Wellness-Bad der moralischen Selbstgewissheit.
"Das sind nur noch Empörungsdienstleister, und ich bedaure, dass hier Populismus und Gesinnungsdarstellung mit Haltung verwechselt wird", sagt Andreas Rebers, 57, Träger deutscher Kabarett- und Kleinkunstpreise, der sein Handwerk unter anderem in der legendären Münchner Lach- und Schießgesellschaft und in den Stahlgewittern der deutschen Kleinkunstbühnen gelernt hat. "Ursprünglich haben Kabarettisten Fernsehen gemacht. Jetzt macht das Fernsehen Kabarett. Dann schlägt die Stunde der Kopisten und Ziselierer. Sie kritisieren das System, für das sie selbst programmiert wurden, und merken gar nicht, dass sie genau das sind, was sie kritisieren: Mainstream."
Rebers ist gerade auf Tournee und berichtet von "Totenstille" im Publikum, wenn er seine Sottisen gegen den religiösen Terror abfeuert. "Terror an sich ist nicht kabarettabel", zitiert er Mathias Richling. "Aber es geht um die Art, wie sich die Gesellschaft in diesem Krieg gegen unsere Lebensweise verhält. Ich frage mich, wie man es in unserer medialen Öffentlichkeit immer wieder schafft, aus den Tätern die eigentlichen Opfer zu machen."
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"Die Linke, die sich früher als intellektuelle Elite empfunden hat, ist heute weitgehend mit der Pflege der über Jahrzehnte erarbeiteten Vorurteile beschäftigt", sagt Dieter Nuhr. "In diesem Denksystem hat immer der Deutsche und der Amerikaner schuld zu sein. Wenn das nicht der Fall ist, tritt große Ratlosigkeit ein. Bei vielen hat sich die Nähe des Islamismus zum Faschismus noch nicht herumgesprochen. Deshalb haben sie Schwierigkeiten, das Geschehen in ihr einfaches Deutungssystem einzupflegen."