Ich habe so meine Probleme mit der These dass Menschen, die im selben Land leben, arbeiten und ihre Kinder großziehen, über einen längeren Zeitraum schwer bis gar nicht miteinander vereinbare Kulturen haben. Falls das so ist liegt es nicht in der 'Kultur' selbst, die ist praktisch schon per Definition sehr heterogen auslebbar, sondern liegt daran dass kein Interesse besteht miteinander auszukommen.
Inwiefern ist die per Definition heterogen auslebbar? Und dieses Desinteresse muss ja auch irgendwo her kommen...
Falls wir hier über D reden ist die Messlatte noch ein gutes Stück höher: Grundgesetz und Umgangsformen, die sich vor dem Hintergrund unseres rechtlichen Rahmens herausgebildet haben.
Mir ging es dabei eher darum, dass die generellen Menschenrechte wichtiger sind, als womögliche kulturelle Eigenarten die diesen widersprechen.
Karikaturen werden in erster Linie zur Unterhaltung gemacht. Sie sind pointiert und überspitzt, lassen wichtige Differenzierungen weg und treffen häufig einen Nerv. Sie sind mehrdeutig, verlangen nach Interpretation und werden häufig sehr unterschiedlich aufgefasst was ihre Bedeutung angeht. Damit sind sie eigentlich schon per se als 'Demonstrationsplakat' ungeeignet.
Da muss ich ganz stark widersprechen. Karikaturen (in diesem politisch/gesellschaftlichen Zusammenhang) wollen in erster Linie etwas kritisieren, oder einen Missstand aufzeigen. Natürlich überspitzt, aber die Unterhaltung ist nur das Medium über das man die Kritik verbreitet. Mehrdeutig sind sie auch oft genug nicht. Man kann zwar immer mehr reindeuten, aber die direkte Botschaft ist meist klar ersichtlich.
Selbst wenn du aber Recht hättest, wäre mir nicht klar, wieso es deshalb als Demonstrationsplakat ungeeignet wäre...
Es ist auch ein Unterschied ob ein als diffamierend empfundener Inhalt auf einer Seite oder dem Cover einer unterhaltenden Zeitschrift abgedruckt ist, oder ob er von einem Mob der jeweiligen Gruppierung vor die Nase gehalten wird.
Welcher sollte das sein? Ob die Gruppierung nun in der Zeitung liest, dass sich Muslime über eine Karikatur aus Zeitung XY aufgeregt haben, oder liest, dass sich Muslime aufregen, weil Leute eine Karikatur aus Zeitung XY hochgehalten haben...
Ich will damit sagen: Diese Karikaturen springen einem dann ohnehin von überall entgegen und in den meisten Fällen eben im Zusammenhang mit den Ereignissen die sie ausgelöst hat. Hätte sich kein Moslem je über diese Karikaturen aufgeregt, würde sie heute auch kaum ein Moslem überhaupt kennen.
Aber auch hier ist letztendlich das entscheidende: Ein Mob sollte Karikaturen hochhalten dürfen, so viel er lustig ist.
Wenn man sich anschaut welche Fragen ein Historiker an eine Quelle stellt, wird vielleicht klar dass sich die 'Bedeutung' einer Karikatur in dem genannten Kontext sehr stark verändert (ähnlich Lasswess-Formel):
WER? (ein Autor vs. Menschenmenge)
sagt WAS (mehrdeutig im Beispiel einer Karikatur)
zu WEM (dem, meist überschaubaren, lesenden Publikum vs. einer kritisierten Zielgruppe)
in welchem KANAL (Print-/Onlinemedium vs. Demo)
zu welchem ANLASS (Unterhaltung/Gesellschaftskritik vs. zur Untermauerung politischer Forderungen)
mit welcher ABSICHT (Unterhaltung/Kritik vs. 'Kulturkampf')
Wie gesagt: Ich denke du machst da ganz falsche Annahmen zu einer Karikatur. Du siehst das zu sehr als Unterhaltung.
Alles unterschreibbar. Das ist aber kaum geschehen. Sich als Politiker (im übetragenden Sinn) zum Karikaturisten zu erklären ist dann doch sehr dürftig.
Verstehe mich nicht falsch. Ich kaufe der Politik dieses "Je suis Charlie" nicht im geringsten ab. Es ging mir dabei nur um die grundsätzliche Haltung dazu.
Ich habe einen ganz anderen Eindruck. Man beschäftigt sich mehr denn je mit dem Islam und auch der Dialog der Religionen läuft in D langsam an. Deine Gedanken zu Religionswissenschaft sind hier für meine Begriffe etwas konfus dargestellt, aber da möchte jetzt nicht auch noch drauf eingehen.
Ich habe eher den Eindruck, man beschäftigt sich mehr mit den Meinungen von diversen Muslimen. Eine eigene Meinung hat man aber immer noch nicht.
Oder hast du irgendeine Ahnung was unsere ganzen Talkshow Prediger wie Mayzek so glauben? Konnte man je lesen, was all die "Islamexperten" so zu diesem Islam denken? Bisher gab es immer nur Phrasen darüber, was der Islam sei und was nicht und das er missbraucht werde, oder auch nicht, aber tiefer ging es nie.
Man kann doch nicht ernsthaft behaupten, man wisse über den Glauben einer Person bescheid, wenn man nicht mal weiß ob die Person an ein Jenseits glaubt. Oder die Schöpfungsgeschichte. Ist das jeweilige heilige Buch das Wort Gottes? Gerade bei einem Moslem würde mich interessieren, was für ihn die Worte "aschhadu an la-ilaha-ill-allah wa aschhadu anna muhammadan rasulullah" bedeuten. Denkt er, der Koran ist wirklich das herab gesandte Wort Gottes.
Dieses Wissen ist doch erst die Basis für ein tiefer gehendes Gespräch.
Karikaturen können Kontroversen darstellen und so Debatten anstoßen. Triebfeder zu einem konstruktiven Dialog sind sie aber nicht. Wir brauchen nicht mehr Karikaturen (obwohl ich sie persönlich wie gesagt sehr schätze), sondern mehr von dem Diskurs den sie mit auslösen und beeinflussen. Aber auch hier passiert aktuell eine ganze Menge.
Wir brauchen die Karikaturen in dem Fall auch nicht für einen Dialog, sondern wir brauchen sie, weil es immer noch Menschen gibt, die gewalttätig auf Karikaturen reagieren.
Sie bedürfen weder Rechtfertigung noch Legitimierung. Man sollte sie nur in dem was sie zu leisten vermögen nicht überbewerten und auch nicht als Patrone im Kulturkampf sehen, von der nie genug verschossen werden könnten. Dann verliert sie für mich viel von dem, was sie eigentlich ausmacht.
Naja, scheinbar ja doch, wenn nach der Legitimierung gefragt wird.
Vor allem aber habe ich kritisiert wie Politiker (implizit) und Demonstranten (explizit) sie ungeschickt bzw. geschmacklos unkommentiert als politische Botschaft genutzt haben.
Was muss man daran denn kommentieren? Selbst wenn ich mir Mohammed Karikaturen auf ein T-Shirt drucken lasse, hat mich dafür keiner zu attackieren.