Fand dies heute in der Zeitung:
»Bush macht uns zum Hass-Objekt«
JAMES HAGENGRUBER
Nicht jeder Amerikaner steht hinter der Politik seines Präsidenten / Journalist James Hagengruber schreibt einen Brief an die Hamburger
Liebes Hamburg,
ich verstehe nicht, was gerade bei mir zu Hause in Amerika passiert, aber ich kann erzählen, was ich sehe. Ich lebe in Montana, einem Staat in den Rocky Mountains, der etwa so groß ist wie Deutschland, aber nur rund 900 000 Einwohner hat. Meine Heimatstadt Billings ist 2700 Kilometer vom Weißen Haus entfernt.
Montana ist ein konservativer Staat. George W. Bush hat bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000 rund doppelt so viele Stimmen erhalten wie Al Gore. Die Washington Post hat kürzlich eine Umfrage veröffentlicht, nach der sieben von zehn Amerikanern den Irak-Krieg auch ohne UN-Mandat unterstützen. Ich bin mir sicher, in Montana sind es noch mehr.
Fast alle meine Freunde lehnen Bushs Politik ab, sind gegen den Krieg. Es besorgt uns, was der Rest der Welt über uns denkt, und es macht uns traurig, dass Amerika alleine dasteht.
Abends hören wir im Radio BBC, um an unvoreingenommene Nachrichten aus dem Rest der Welt zu kommen. Die US-Medien sind begeistert vom Krieg, besonders der Fernsehsender Fox TV. Dieser Sender wird im Weißen Haus gesehen. Es ist derselbe Sender, der den berühmten Journalisten Geraldo Rivera beschäftigt. Als Korrespondent in Afghanistan war er mit einer großen Pistole bewaffnet. Er sagt, er würde Osama bin Laden töten, wenn der ihm über den Weg liefe.
Eine schweigende Mehrheit in Amerika glaubt, Bush bringt Sicherheit. Sie denken, dass er uns beschützt und nicht dass er uns zum Hass-Objekt der gesamten Welt macht.
Die meisten Leute hier sind für den Irak-Krieg. Ein Krieg würde dem Aktienmarkt wieder auf die Beine helfen, sagen sie. Der Krieg würde es billiger machen, die großen Geländewagen und Pick-up-Trucks zu fahren. Ein Liter Benzin kostet jetzt 40 Cent - ein Rekord-Hoch. Der Krieg bedeutet auch gute Unterhaltung. Live auf CNN und Fox macht er sogar mehr Spaß als ein Action-Film mit Bruce Willis.
In Montana gibt es eine kleine, aber dennoch wahrnehmbare Friedensbewegung. Kürzlich haben etwa 150 Menschen eine Nachtwache für den Frieden vor dem Gerichtsgebäude in Billings abgehalten. Ich habe mit einigen Protestlern gesprochen. Darunter war Kathleen Carlin-Orms, eine pensionierte Lehrerin. Ihr Neffe ist Soldat in Kuwait. "Unsere Meinung interessiert Bush nicht", sagt sie, "er hat seine Entscheidungen längst getroffen." Warum sie trotzdem demons-triert? "Wir haben eine moralische Verpflichtung."
Ich versuche, der Kriegslust entgegenzuwirken. Aber es scheint zu spät zu sein. Am "St. Patrick's Day", dem großen Fest der Einwanderer aus Irland, war ich in einem irischen Pub. Dort fand ein Limerick-Wettbewerb statt - eine Form von irischen Gedichten. Als ich einen Anti-Kriegslimerick zum Besten gab, schrien mich die Leute an, ich solle mich wieder hinsetzen. Immerhin, ein paar Kanadier im Pub applaudierten.
In Montana gibt es immer noch eine Menge Cowboys mit gigantischen Rinderfarmen. Die meisten von ihnen unterstützen Bush. Aber einige wenige sind verärgert. Schließlich ruiniert er weltweit ihren guten Ruf.
Eine Autorin der Zeitung "The Oregonian" hat diese Haltung sehr gut zusammengefasst. "Der Präsident ist kein Cowboy", schrieb sie. "Ein richtiger Cowboy kümmert sich um seine eigene Herde und sein eigenes Land. Er bleibt stets auf seinem Grundstück. Er überschreitet nie die Grenze zu seinem Nachbarn - außer er ist eingeladen."