Kommentar eines Mitbürgers zum offenen Brief von Herrn Gambke
"Liebe Landshuterinnen und Landshuter, seit meiner Kindheit und Jugend in den 60er und 70er Jahren bin ich (nicht nur) mit Rockmusik bestens vertraut und verfolge mit großem Interesse die Berichterstattung über sog. Skandalbands. Deshalb und nur deshalb habe ich - eine Literaturwissenschaftlerin und Musikerin, die sich u.a. intensiv mit der 15 Jahre lang währenden Kampagne gegen Rammstein beschäftigt hat - mich vor einigen Monaten für Frei.Wild und die gegen sie gerichteten Vorwürfe zu interessieren begonnen. Vor diesem Hintergrund grüße ich Sie aus Norddeutschland und hoffe, zur dringend nötigen Versachlichung Ihrer Debatte um den Auftritt von Frei.Wild beitragen zu können. Nachdem ich den Offenen Brief gelesen hatte, habe ich mich auf Herrn Dr. Gambkes Website umgetan und dort nichts gefunden, woraus sich schließen ließe, daß er sich jemals intensiver als andere Politiker mit Rockmusik und Kunst im weitesten Sinne auseinandergesetzt hätte. Auch der Inhalt seines Briefs deutet darauf hin, daß er nicht gründlich recherchiert hat bzw. nicht gründlich überprüft hat, was ihm wahrscheinlich von anderer Seite zugetragen wurde. Sehr gut zeigen läßt sich das an seinen Bemerkungen über das angeblich so eindeutige Video der Band. Auffallend ist bereits, daß der im Brief genannte Song- und Videotitel falsch ist. Er lautet nicht "Halt die Schnauze", sondern "Halt Deine [bzw. deine] Schnauze". Dies mag eine läßliche Sünde sein. Doch auf den Text, der auf der Website von Frei.Wild zu finden ist, wird mit keinem einzigen Wort eingegangen. Und das immerhin 4 Minuten und 27 Sekunden lange Video wird einzig und allein aufgrund einer (verglichen mit dem, was in Videos anderer Bands oder täglich massenhaft im TV zu sehen ist, völlig harmlosen) Gewaltszene und einer kurzen Kameraeinstellung als gewaltverherrlichend dargestellt. Wer den Songtext unvoreingenommen liest und das Video aufmerksam betrachtet, wird aber sehr leicht feststellen können, daß es sich nicht um ein gewaltverherrlichendes Nazi-Machwerk handelt, sondern um das genaue Gegenteil: eine sehr realistische Geschichte darüber, wie ein Täter zum Opfer werden kann und umgekehrt. Dies kann jeder anhand des Textes und des Videos (
http://www.youtube.com/watch?v=yP6JFclm4Hg) überprüfen. Erst nachdem ich das getan hatte, las ich die Kommentare und fand, was die Band auf Anfrage dazu geschrieben hat: "grundgedanke des songs ist, das gewalt in keiner form akzeptabel ist - es soll zur diskussion und zum nachdenken anregen. die tätowierung bedeutet 100% skinhead." Weshalb steht auch davon nichts in dem doch recht langen Brief? Ich glaube nicht, daß Herr Dr. Gambke die Öffentlichkeit bewußt tendenziös informieren wollte. Doch aufgrund meiner jahrelangen Erfahrung mit Hetzkampagnen gegen Bands, die speziell der sog. Antifa ein Dorn im Auge sind, habe ich allen Anlaß zu der bereits oben geäußerten Vermutung, daß nicht mit der gebotenen Sorgfalt gearbeitet wurde. Vielleicht hat sich Herr Dr. Gambke, wie so viele seiner Politikerkollegen und leider auch sehr viele Journalisten, auf jene selbsternannten Experten verlassen, denen weniger an der Wahrheitsfindung gelegen ist als daran, ihnen mißliebige Bands und deren Fans als Nazis zu brandmarken, zumindest aber als "rechts". Gegen Ende seines Briefs appelliert Herr Dr. Gambke an die Veranwortung aller, in deren Macht es steht, den Auftritt von Frei.Wild zu verbieten. Auch auf seiner Website ist viel von Verantwortung die Rede. Deshalb appelliere ich nun an ihn, an Herrn Oberbürgermeister Rampf und an alle Landshuter Bürgerinnen und Bürger, verantwortungsvoll zu handeln und sich nicht als Hexenjäger zu betätigen. Auch und gerade Informationen seitens sog. Experten aus der Antifa-Szene oder deren Umfeld sollten stets sehr genau überprüft werden. Denn der Hang zum Fanatismus ist dort nicht minder ausgeprägt als in der "rechten" Szene, nur für Ungeübte schwerer zu erkennen. Wer das Aggressionspotential innerhalb der Antifa-Musikszene nicht wahrhaben will, der sehe sich einmal die bei YouTube eingestellten Videos von Bands wie Atari Teenage Riot, Egotronic oder Ultra Violent Kitten an. Lehrreich ist es auch, sich einmal durchzulesen, was passieren kann, wenn ein Antifa-Mitglied in den Verdacht gerät, "rechtsoffen" zu sein. Googeln Sie mal nach Indymedia + Vegan Wonderland. Liebe Leserinnen und Leser, - bitte lassen Sie sich nicht in den Sog des immer weiter um sich greifenden Fanatismus hineinziehen, auch nicht dann, wenn der Eifer Ihnen berechtigt erscheint. Schon jetzt haben viele Frei.Wild-Fans im Elternhaus, in der Schule, im Freundeskreis und am Arbeitsplatz darunter zu leiden, daß man sie seit einigen Monaten massiv mit - wie Herr Dr. Gambke schreibt - "rechtsradikalen Umtrieben" in Verbindung bringt. Diverse an Jahren erwachsene Facebook-Nutzer, darunter ein Aktivist der VVN/BdA, säubern - wie ich am Wochenende bei Facebook mitbekommen habe - neuerdings ihre Profile von Freunden, deren Vorliebe für Frei.Wild kein Problem war, bis die jetzige Hetzkampagne begann. Wohin soll das führen? Berechtigte Warnungen vor Rechtsextremen werden gerade unter Jugendlichen ungehört verhallen, wenn schon Bands wie Frei.Wild, die zwar grenzwertig sind, sich aber keine einzige Straftat haben zuschulden kommen lassen, mit einer Mörderbande à la NSU auf eine Stufe gestellt werden - und das nicht nur von Journalisten, die voneinander abschreiben, sondern auch von Politikern, die von nicht immer sonderlich vertrauenswürdigen Journalisten abschreiben oder gar abschreiben lassen. Lassen Sie, die Verantwortlichen, also Vernunft walten, um Himmels willen. Seien Sie Ihren Wählerinnen und Wählern ein gutes Vorbild und informieren Sie sich stets aus erster Hand. Wenn Sie das nicht wollen oder nicht können, dann enthalten Sie sich bitte jedes Urteils. In dubio pro reo. Dieses ehrwürdige Prinzip darf niemals außer Kraft gesetzt werden, auch nicht im Namen des Antifaschismus. Seit einiger Zeit jedoch wird es gerade in diesem Zusammenhang immer wieder mißachtet, leider auch im Offenen Brief von Herrn Dr. Gambke. Diesen Brief - verzeih'n Sie mir, Herr Gambke, und verzeih'n Sie mir, Herr Pauli - sollte man keinesfalls "als guten Wegweiser für die Zukunft" begrüßen. Pfiat di God!"