Berlin - Die gegenseitigen Vorbehalte von Grünen und FDP lassen den Druck auf Union und SPD wachsen, doch eine große Koalition zu schmieden. Mit großer Spannung wird das Sondierungsgespräch von Kanzler Gerhard Schröder, SPD-Chef Franz Müntefering mit Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber am Donnerstag in Berlin erwartet.
Drei Tage nach der Bundestagswahl machten vor allem die Grünen ihre großen Bedenken gegenüber einer Koalition mit Union und FDP geltend. Müntefering forderte bei einem Sondierungsgespräch mit den Grünen die FDP erneut zu Gesprächen über eine Ampel auf.
Müntefering sagt nach dem Treffen am Mittwoch in Berlin: «Wir wissen, es muss ein Dritter mit an den Tisch.» Er hält auch eine große Koalition für möglich. Das Ziel der SPD sei eine «handlungsfähige Regierung mit einer belastbaren Mehrheit» unter Führung Schröders zu bilden. Die Union beharrte ebenfalls auf dem Führungsanspruch von Merkel. Bundespräsident Horst Köhler hält eine Regierungsbildung trotz der schwierigen Ausgangsbedingungen für machbar. «Ich glaube, eine Lösung ist möglich», sagte er.
Die Grünen äußerten sich pessimistisch über mögliche Koalitionen mit der FDP. Parteichef Reinhard Bütikofer sprach von Gegensätzen in der Energie- und Sozialpolitik. «Da gibt es keine Kompromisse.» Die Co-Vorsitzende Claudia Roth betonte, die Grünen gingen mit «allergrößter Skepsis» in die Sondierungsgespräche am Freitag mit der Union. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) machte deutlich, dass er eine Koalition der Union mit den Grünen derzeit nicht für machbar hält. «Da müssten sich die Grünen neu erfinden.»
Der Verzicht von Joschka Fischer auf Spitzenämter der Grünen erleichtert nach Ansicht mehrerer Unionspolitiker jedoch die Gespräche über ein mögliches Bündnis über eine Jamaika-Koalition. Die Ministerpräsidenten von Thüringen und Sachsen, Dieter Althaus und Georg Milbradt (beide CDU), sehen die Chancen gestiegen. «Es ist viel Bewegung hereingekommen», sagte Althaus der dpa. Milbradt sprach in der «Sächsischen Zeitung» (Mittwoch) von Berührungspunkten in der Wirtschaftspolitik und im Verhältnis von Staat und Gesellschaft.
Grünen-Fraktionschefin Krista Sager warf Fischer einen falschen Zeitpunkt für seine Erklärung vor. «Ich war ärgerlich. Er hätte ruhig abwarten können, bis sich die Situation etwas gelegt hat», sagte Sager dem Nachrichtensender N24. Bütikofer hält die Entscheidung Fischers für einen «massiven Einschnitt».
Der designierte Linkspartei-Fraktionschef Oskar Lafontaine sieht sich indessen in besonderer Nähe zu den Grünen. «Das Wahlprogramm der Grünen könnte ich so unterschreiben. Es ist nicht weit weg von der Partei, die ich jetzt vertrete», sagte er am Dienstagabend in der ARD-Sendung «Menschen bei Maischberger». Er machte auch zu seiner früheren Partei SPD, deren Vorsitzender er war, eine Annäherung in der Sache aus. «Das revidierte Programm der SPD vor der Wahl hatte weniger zu tun mit dem Handeln der letzten sieben Jahre. (...) Würde man sich an der Sache orientieren, dann gäbe es jetzt tatsächlich eine spannende Situation.»
In der FDP gab es noch keine Entscheidung im Streit um den Fraktionsvorsitz im Bundestag. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sagte N24, Parteichef Guido Westerwelle habe ein «Zugriffsrecht». Er verwies darauf, dass Fraktionschef Wolfgang Gerhardt im Falle einer Regierungsbeteiligung der FDP als Außenminister vorgesehen sei. Westerwelle will nach dem Erfolg seiner Partei bei der Bundestagswahl am Sonntag auch den Fraktionsvorsitz übernehmen. Gerhardt hat bislang den Anspruch auf diesen Posten nicht aufgegeben.
Die Arbeitgeber sehen zwischen allen Parteien außer der Linkspartei gemeinsame politische Schnittmengen. Nun müsse rasch eine Regierung gebildet und durchgreifende Reformen in Angriff genommenwerden, um Deutschland wieder auf Wachstumskurs zu bringen, sagte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt in Berlin. dpa vr yydd ot/br