Zum Hobbit (Achtung, ggf. Spoiler!):
Ich fand die HdR Filme tatsächlich gelungen, und das obwohl UND weil ich Tolkien-Fan bin.
Handlungsabweichungen stören mich bei Buchverfilmungen nicht sehr, so lange sie die Logik des Films nicht allzusehr behindern. Die Stimmung ist das Entscheidende, und die hat bei den Verfilmungen den Geist des Buches getroffen: Trügerische Idylle, Spannung, Pathos und Verzweiflung passen einfach.
Zu den Hobbit-Filmen gibt es dagegen keine Buchvorlage (und nein: Das Buch "Der kleine Hobbit" ist ganz sicher nicht die literarische Vorlage für diese Trilogie, sie offeriert allenfalls die Charaktere und einzelne Handlungsaspekte). Wenn es eine literarische Vorlage gibt, dann sind es eher die Annhänge der HdR-Bücher, in denen nachträglich (!) die Geschichte Bilbo Beutlins in den Kontext der größren Geschichte des 3. Zeitalters eingebunden wird.
Zum Hobbit-Film an sich: Ich halte ihn für misslungen. Viele Charaktere bleiben hölzern und stereotypisch. Ich weiß bis heute nicht, welcher Zwerg welcher ist, die Elbentante könnte in ihrer Plumpheit auch von Rhapsody erfunden worden sein. Beorn wirkt genauso glatt und tiefenlos wie seine computeranimierte Figur. Gut gezeichnet sind dagegen Bard und der Bürgermeister von Esgarot sowie Azog und Bolg: Hier wird deutlich, dass sie Jäger sind, die sich um keinen Preis vom Auftrag ihres Meisters abbringen lassen. Auch Radagast ist für mich ein Highlight: Skurril, mysteriös und unfreiwilig komisch.
Was mich jedoch am meisten stört ist die Dramaturgie: Lange Actionszenen (l'art por l'art) und kurze Erholungspausen reihen sich einander abwechselnd aneinander. Klar: Die Action ist toll gemacht, aber sie langweilt einfach irgendwann. Zudem wird die Überlegenheit der Elben zunehmend ins Lächerliche gezogen (z. B in der Szene, in der Legolas auf den Köpfen der Zwerge im Wildwasser ein Duzend Orks erschießt). Das mag als Gimmik amüsant sein, dominiert aber leider den gesamten Film. Auch die Begegnung mit den Spinnen ist nicht gruselig, sondern ein 10 minütiges Martial-Arts-Massaker. Auch Beorn muss unnötigerweise mit Action eingebunden werden, das gleiche gilt für den Kampf der Zwerge mit Smaug oder den Kampf der Orks in Esgaroth.
Nochmal deutlich: Ich habe nichts gegen Action- und Kampfszenen, solange sie sinnvoll sind: Der Kampf in Moria, die Schlacht um die Hornburg und die finale Schlacht am Morannon waren großartig, und in diesem Sinne freue ich mich auch schon auf die finale Schlacht der fünf Heere im dritten Hobbitfilm, aber in den bisherigen beiden Hobbitteilen sind die Kampfszenen reine Ablenkung vom Mangel an dramaturgischen Ideen.
Dabei bietet das Buch genügend Ansätze und Beispiele, wie man eine Handlung auch ohne Action so gestalten kann, dass man mit den Charakteren mitfiebert:
- Geheimnis: Wer oder was ist Beorn? Auf wessen Seite steht er?
- Auszehrung: Die Zwerge verhungern fast im Wald, dieser scheint endlos zu sein. Werden sie je herausfinden?
- Katz und Maus: Bilbos Kampf mit den Spinnen ist im Buch ein absolutes Highlight ("Atterkopp! Dumme fette Spinne!") und dazu noch komisch
- Märchen: Die Elben im Hobbit sind nicht nur edel und stolz, sondern auch albern und musikalisch. Sie feiern und lachen und sind längst nicht so griesgrämig wie im Film
Damit meine ich nicht, dass man den Film als Kinderfilm machen muss, sondern nur, dass man diese Ansätze durchaus auch in einen "erwachsenen" Hobbit-Film hätte einbauen können.
Insgesamt wirkt der gesamte Film total hektisch, so, als hätten die Macher Angst, die Zuschauer könnten nach 10 Minuten ohne Action einschlafen oder das Kino verlassen. Es gibt keine leisen Töne, keinen Schauer, keine Verzweiflung und keine Ironie.
Im Buch suchen die Zwerge tagelang nach dem Eingang in den Berg (und hocken auf der Türschwelle), im Film geschieht dies in 30 Sekunden: "Wo ist die Tür? Da oben ist die Tür! Oh, der letzte Sonnenstrahl! Mist, kein Schlüsselloch! Och Menno, dann wars das halt. Halt wartet! Das Mondlicht! Hier ist das Schlüsselloch! Juchuu!"
Man hat als Zuschauer kaum Zeit, die liebevoll gezeichneten Schauplätze zu betrachten und darin zu schwelgen: Die Hallen des Elbenkönigs, der schaurige Düsterwald, die schwarze Ruine von Dol Guldur: Alles wird zur reinen Kulisse für rasende Kamerafahrten und Massengemetzel.
Schade. Da lese ich lieber nochmal das Buch oder höre das fantastisch gemachte Hörspiel.