Achtung, Hacker in Hamburger U-Bahnen
OLAF WUNDER
»Wardriving« Wie Datenpiraten im Zug die Info-Screens manipulieren - und schlimmeren Schaden anrichten
Per Funk in fremde Computer-Netzwerke eindringen und Unordnung stiften - das macht ihnen Freude. Wardriving nennt sich dieser Sport unter Internet-Freaks. Nun haben sich zwei von Hamburgs erfahrensten Wardrivern die Infoscreen-Monitore in den U-Bahnen vorgenommen. An drei Tagen fuhren sie insgesamt sechs Stunden Bahn - dann hatten sie alle Hürden überwunden und können seither schalten und walten, wie sie wollen.
U 1, Haltestelle Kellinghusenstraße. Nennen wir die beiden Michael und Martin: Sie steigen in den Zug und halten Ausschau nach Sitzplätzen in möglichst unmittelbarer Nähe zu einem Infoscreen-Bildschirm. Über die Monitore flimmern gerade Cartoons. Zwischendurch gibt es aktuelle Nachrichten von Tagesschau-Online und natürlich regelmäßig den Hinweis, welche Haltestelle als nächste angesteuert wird.
Der Zug läuft gerade in der Station Hudtwalckerstraße ein, da haben es Michael und Martin geschafft: Wo eigentlich Tagesschau-Nachrichten erscheinen sollten, steht nun folgender Satz: "Sie, da! Ja, Sie, Fahrgast, sitzen Sie gerade." Die Reaktion der Passagiere: Stirnrunzeln. Einige setzen sich tatsächlich kerzengerade auf ihre Bank.
Michael und Martin laufen zur Höchstform auf. Erst erklären sie die Tagesschau wegen mangelndem Publikumsinteresse für eingestellt. Dann schreiben sie Ulk-Nachrichten wie "Schroeder beteuert: Habe keine gefaerbten Haare, ich trage Toupet!" Schließlich klären Sie auf: "Liebe Fahrgaeste: Es gruesst Sie Mister X von der Hamburger Morgenpost."
Michael und Martin sind Informatiker - und seit sich die W-Lan-Technik immer mehr durchsetzt, gehören sie zu der wachsenden Schar von Wardrivern, die mit ihren Aktionen darauf aufmerksam machen wollen, wie unsicher diese Technik ist, sofern der Nutzer nicht ganz genau aufpasst.
W-Lan ist die Abkürzung für "Wireless Local Area Network". Zu Deutsch: drahtloses Netzwerk. Dank dieser Technik müssen mehrere Rechner nicht mehr wie früher per Kabel verknüpft sein. Die Informationen werden einfach drahtlos per Funk übertragen. Das bedeutet im Falle von "Infoscreen": An verschiedenen U-Bahnhöfen befinden sich so genannte Access Points, also Funkstationen. Und die Züge selbst haben Antennen, die die Daten einfangen.
Der Nachteil von W-Lan: ein jeder, der über die technische Ausstattung verfügt, kann in diese Funknetze einbrechen und für Unordnung sorgen. Der Grund: Funkwellen können nicht zwischen berechtigten und unberechtigten Usern unterscheiden.
"Dass die Firma ,Infoscreen` es uns so leicht macht, hätten wir nicht gedacht", sagt Hacker Martin grinsend. "Es war wirklich ein Kinderspiel: Das System läuft auf Windows 95, und das ist so ziemlich das unsicherste Betriebssystem, das es gibt." Username und Password knackten die beiden mit links. Anschließend übernahmen sie die Kontrolle über die Monitore in den U-Bahnen.
Was Martin und Michael da getan haben, passiert fast täglich in Hamburg und anderswo. W-Lan wird inzwischen in vielen Firmen, aber auch von vielen Privatleuten genutzt. Wenn "Wardriver" wie Martin und Michael in der Stadt unterwegs sind und dringend mal ins Netz müssen, dann schalten sie einfach ihr Laptop ein - und gehen über den Rechner irgendeines Fremden online. Inzwischen gibt es Computerprogramme, die W-Lan-Netzwerke ausfindig und sogar ihren Standort in einem digitalen Stadtplan sichtbar machen können. "Da die meisten Nutzer vergessen, den Zugang zu ihrem System zu verschlüsseln, können wir auf Kosten anderer surfen."
Natürlich könnten Datenpiraten auch großen Schaden anrichten: "Es wäre zum Beispiel möglich, in die Dateien eines Arztes zu gehen und aus einem Blutdruck-Patienten einen Rheuma-Patienten zu machen." Deshalb raten die beiden Hacker: "Machen Sie es Leuten wie uns so schwer wie möglich! Verschlüsseln Sie Ihre Systeme!"