Prof. Drosten hat per Videoschalte ein paar interessante Aussagen als Gastredner einer Veranstaltung der Ärztekammer Nordrhein gemacht. Hier ein paar Auszüge:
Im Hinblick auf die vieldiskutierten Mutationen des Virus sei insbesondere auf den starken Ausbruch in Irland zu verwiesen, der einer der neuen Varianten zu verdanken gewesen sei. Ein Lockdown habe die Zahlen rasch wieder absenken können. „Es ist also durchaus möglich, auch eine durch die Mutante ausgelöste hohe Inzidenz dann wieder durch normale Lockdown-Maßnahmen unter Kontrolle zu bringen.“
Die Alten werden ja geimpft, damit ist die nöchste relevante Risikogruppe im Bereich der 40-60jährigen zu sehen:
„Dann kann man eine Überlegung, eine Überschlagsrechnung anstellen: Wenn wir die Alten demnächst geimpft haben – und wenn der große Drang zur Öffnung kommt, was ich nach Ostern sehe, – dann werden wir uns genau diese Altersgruppe in der Bevölkerung anschauen müssen.“ Ende März seien die 80-Jährigen vermutlich durchgeimpft und man sei dabei, die 60- bis 80-Jährigen zu impfen. „Wir haben in der Gruppe zwischen 40 und 60 Jahren dann etwa noch 23,6 Millionen Einwohner. Stellen wir uns dann vor, dass bei einer dann beginnenden Infektionswelle nur 50 Prozent dieser Altersgruppe durchinfiziert wird, bis wir einen Herdenschutz erreichen. Dann wären das 12 Millionen Infizierte in einer Zeit von zwei bis drei Monaten.“
„Wenn wir nun konservativ annehmen, dass wir eine Infektionssterblichkeit von 0,1 Prozent haben, dann hätten wir in dieser kurzen Zeit in dieser Altersgruppe 12.000 Verstorbene.“
„Und: Wenn wir dann annehmen, dass wir in dieser Altersgruppe 10 Prozent schwere bis moderate Verläufe hätten – also von schwerkrank zu Hause bis akut aufnahmepflichtig. Dann würde das bedeuten, dass jeder in dieser Altersgruppe Gleichaltrige kennen würde, die schwer krank geworden sind.“
„Dann würde eine Selbstregulation der Kontakte stattfinden: Aus Angst würden die Leute beispielsweise nicht ins Restaurant gehen oder sich aus Angst zur Sicherheit krankschreiben lassen – sich auch verlängert krankschreiben lassen.“ Hohe Krankenstände und lange Abwesenheiten würden einen erheblichen wirtschaftlichen Effekt haben.
Das Ziel müsse daher für die Zeit nach Ostern eine möglichst rasche Durchimpfung der Bevölkerung unter 65 Jahre sein. Das könne auch zu einer schwierigen Priorisierung der Risikobevölkerung gegenüber der Normalbevölkerung führen. „Wir werden prioritär die Risikogruppen impfen müssen – während aber schon die Flächenimpfung anläuft. Auch wenn das nur bedeutet, dass die logistische Planung schon einmal beginnt.“
Wenn eine Durchimpfung von 50 Prozent erreicht sei, gingen die Zahlen drastisch zurück – das zeige sich gerade in Israel.
Drosten antwortete auch auf Fragen zur Immunität nach der Impfung. Die Impfimmunität sei objektivierbar, im Labor meßbar besser als die nach einer natürlichen Infektion. „Also die neutralisierenden Antikörper erreichen ein beträchtlich höheres Ausmaß. Auch die T-Zell-Aktivierung ist viel besser als bei der natürlichen Infektion. Wir haben bei der natürlichen Infektion ein kleines Problem mit der T-Zell-Aktivierung. Da scheint – einfach ausgedrückt – das Virus reinzufunken“.
Insofern sei besonders bei dem Impfstoff von Biontech und Pfizer schon davon auszugehen, „dass wir vielleicht sogar eine relativ lange Immunität dadurch bekommen“. Bei den Vektorimpfstoffen sei das noch ein bisschen unklar. „Da haben wir aber den interessanten Effekt, dass wir bei längerer Wartezeit zwischen den zwei Dosen eher eine Verbesserung des Impfschutzes bekommen. Die zweite Dosis ist also nach drei Monaten besser als nach 4 Wochen.“ Die Erklärung von Drosten: „Wir haben hier eben wirklich ein Virus als Träger der Vakzine – mit aller Immunmodulation, die so ein Virus eben mit sich bringt. Da werden viele virale Proteine exprimiert, obgleich sich auch das Virus aktiv nicht im Impfling vermehrt.“
„Das Genom des Virus wird eben auch transkribiert und da entsteht nicht nur das Impfantigen – sondern die vielen vielen viralen Gene, die das Immunsystem stimulieren. Deswegen haben wir hier eher eine virustypischere Immunantwort als mit so einem mRNA-Impfstoff, der ja einfach ein reiner Totimpfstoff ist und wo es – auch bei aller Stärke der Immunantwort – Lücken gibt.“ Die Impfstoffe von Astra-Zeneca und demnächst Johnson & Johnson seien daher als sehr gut zu bewerten.
Kollegen hätten ihn schon gefragt, ob es ein Nachteil sei, dass die Ärzte mit Astra-Zeneca geimpft werden sollen, da der Biontech-Impfstoff für die Alten und besonderen Risikogruppen vorgesehen sei und mangels Studiendaten eine Impfung über 65 Jahre nicht empfohlen werde. „Daher liegt es auf der Hand, dass man die Berufsrisikogruppen wie die Ärzte jetzt erst einmal mit den Astra-Vakzinen versorgt. Ich kann dazu kurzgesprochen nur sagen: Dagegen kann man nichts haben. Das sind sehr verträgliche Vakzine.“
Der Impfstoff von Biontech/Pfizer löse akutere Reaktionen aus. „Und man hat den Vorteil der etwas länger nachreifenden Immunität, die auch im Bereich der zellulären Immunität vielleicht nachhaltiger ist.“ Daher könne sie auch möglicherweise durchaus robust gegen Virus-Varianten sein, die später nachkommen. „Ich bin noch nicht dran mit der Impfung. Aber wenn ich vor der Wahl stünde, würde ich mich gegen den Astra-Impfstoff alles andere als wehren“, so sein Fazit.
Quelle:
https://www.aend.de/article/210410