Der Tragödie erster Teil.
Nachdem ich mich also dazu entschlossen hatte, mich mal langsam korrekt arbeitslos zu melden, bin ich heute vormittag also zum Arbeitsamt gefahren.
Ich gehe durch den Haupteingang rein, drinnen links ist ein Glaskasten, wo eine Frau in zivil drin sass, die hatte aber anscheinend Pause, nichts zu tun oder war prinzipiell nicht zuständig. Während ich das in Sekundenbruchteilen überlegte, stellte sich einer der drei uniformierten Schränke vor mich, schaut mich von oben an und fragt, wo ich denn hinmöchte (kleine Anmerkung am Rande: höflicherweise hätte es heissen müssen: "Kann ich Ihnen helfen?"). Also sage ich ihm, dass ich mich gerne arbeitslos melden möchte.
"Arbeiten Sie noch?"
"Nein - "
-mein Luftholen dauert ihm zu lange- "Also haben Sie vorher gearbeitet!?"
"Nein, ich habe studiert -"
"Ja, dann müssen Sie in Block B und dieses Formular ausfüllen [drückt mir Formular in die Hand], da gehen Sie so und so und so, ziehen sich eine Nummer und warten bis Sie aufgerufen werden."
"Ja gut, danke, [ich lächele ihn freundlich an, er kann ja nichts dafür, dass er scheiße aussieht, und er hat mir ja auch weitergeholfen] und das Formular muss ich sicherlich vorher ausfüllen, nicht wahr?" [ein kläglicher Versuch, das ganze etwas aufzulockern]
Er antwortet - nahezu verächtlich - dass ich dafür in Block B noch genügend Zeit haben werde.
Aha.
Ich gehe also nach Block B, immer den blauen Pfeilen nach, die auf dem Boden sind, und grüße freundlich, wie ich nunmal bin, und wie es sich gehört, jeden Menschen, der mir begegnet.
Angekommen in Block B ziehe ich mir die Nummer, fülle das Formular aus und setze mich zu den anderen 10 Personen.
Nach einer dreiviertel Stunde bin ich eine rauchen gegangen.
Nach einer weiteren halben Stunde, musste ich auf Klo, da wurde die Nummer 51 aufgerufen, also ging ich nicht auf die Suche nach den Toiletten, weil das gerade sehr schnell ging mit dem Aufrufen, und ich hatte ja Nummer 52.
Eine weitere viertel Stunde geht vorbei, dann bin endlich ich an der Reihe.
Es ist 12:50 Uhr.
Eine freundliche junge Dame in legerer Kleidung nimmt mich in Empfang.
"Geben Sie mir bitte Ihre Nummer und setzen sich schonmal hin."
Na bravo - und sie geht Kaffee holen oder was? Ich gab ihr die Nummer und setzte mich hin, und sie kommt auch wider Erwarten nach einer halben Minute ins Zimmer zurück und setzt sich an den PC.
"So, was möchten Sie denn?"
Ich reiche ihr mein Formular.
"Ich möchte mich arbeitslos melden."
"M-hm..."
Die Tante liest sich das Formular gleich auf der dritten Seite durch und sagt dann: "Oh!"
Ich bekomme einen Schreck.
"Sie schreiben hier, dass Sie gearbeitet hätten, das war aber ein 400-Euro-Job, oder?"
"Nein..."
Wir klären, wieviel ich gearbeitet habe.
"Dann haben Sie ja wohl Sozialabgaben geleistet und bekommen vermutlich [hier kommt jetzt eine lange ausführliche Erklärung zu Hartz IV, ALG1 und ALG2, wovon ich nur die Hälfte kapiert und ein Viertel behalten habe, aber mit der Erkenntnis, dass sie (also Block B) gar nicht zuständig seien, das würde in Block D (Erklärung wie ich da hinkomme) bearbeitet]"
Sie schiebt das Formular etwas von sich und schaut mich aufmerksam an.
Ich - müde, hungrig, mit Harndrang und gar nicht begeistert - schau sie vermutlich nicht ganz so freundlich an, ohne etwas zu sagen.
Sie nimmt das Formular wieder in die Hand.
"Das müssten Sie halt in Block D klären."
Da ich mich beherrschen kann, und sie ja nichts dafür kann, dass der Uniformierte mich nicht ausreden liess und vermutlich eh keine Ahnung hatte, frage ich freundlich, ob ich mich da jetzt nochmal zwei Stunden hinsetzen soll bis ich drankomme.
Anscheinend hat sie durchaus herausgehört, dass ich das nicht vorhatte, und nimmt den Telefonhörer in die Hand.
"Ich würd Ihnen ja gerne weiterhelfen, aber [Handbewegung zum Monitor] wir können das hier gar nicht bearbeiten. Ich ruf da mal an."
Dann legt sie aber gleich den Höhrer wieder auf und ihr fällt ein, dass die da um 12:30 Uhr Feierabend machen. (Ach? Ich bin aber nicht eben erst hier angekommen sondern vor zwei Stunden. Und hier ist ja auch "Feierabend" um 12:30. Wieso sitzen wir hier noch zusammen?)
Ich schaue sie nur an und ich vermute, dass ich sie getötet hätte, wenn es mir möglich gewesen wäre.
"Ja, äh..." [leicht panische Ratlosigkeit ihrerseits] "Können Sie denn diese Woche nochmal vorbeischauen? Ich schreib Ihnen mal auf (bla - letzte 3 Jahre... 360 Tage Abgaben...), und dann schauen Sie zu Hause einfach nochmal in Ruhe nach, ob das so passt, und dann kommen Sie nochmal wieder, das wäre dann in Block D (erneute Wegbeschreibung) und ich mach Ihnen hier auf das Formular einen Stempel drauf, dass der Antrag ab heute gilt und nicht später, nicht das Ihnen da was verloren geht."
(Ja, Sweetie, mach das mal. Sonst hätte ich hier zwei Stunden sinnlos rumgesessen, und dann hätte ich Dich wirklich töten müssen)
Ich packe den Wisch ein und gehe wieder raus.
Es ist 12:55 Uhr.
