Klar ist die Vermarktung von Wacken sehr ausgeprägt, darum fand ich es ja so interessant. Nur ist das ja, wie oben schon beschrieben nur ein kleiner Teil vom CI. Eher eigentlich ein Resultat aus einem funktionierenden CI.
Natürlich habe ich auch den Kontakt zu Mitarbeitern gesucht. Mich hat aber auch die Meinung vom Besucher interessiert.
Generell geht es ja auch um das Behaviour nach innen und außen. Da wollte ich einfach in Erfahrung bringen, wie ihr verschiedene Situationen erlebt habt.
Auch die Entwicklung finde ich sehr interessant. Vielleicht kann jemand, der schon viele Jahre zum Festival fährt, etwas zum Thema sagen.
LG
Öhm also ich fahre seit 2003 nach Wacken. Gibt aber auch welche hier, die so seit 1996 fahren. Ich versuch mal so meine Ansichten zu schildern...ich hole ein wenig aus, damit die Hintergründe klar werden.
Fangen wir mal damit an wie man "früher", d.h. zu einer Zeit als Metal ziemlich "Out" war und im Mainstream kaum präsent...zum Wacken (und zum Metal) gekommen ist...insb. als Jugendlicher.
In meinem Fall war das so, dass ich über eine Freundin zum Metal kam, völlig ohne Einfluß von Fernsehen, Radio, Musikzeitschriften für Jugendliche, YouTube, Facebook oder sonstigen Massenmedien. Ich habe dann über die Webseite einer Band, die ich mochte gelesen, dass sie "in Wacken" spielen. Von dem Ort hatte ich nie was gehört, aber die Deutschlandflagge war daneben abgebildet. Also googelte ich und stellte fest...oh...das ist ja kaum 80 km entfernt. Ich fragte besagte Freundin, ob wir da hin fahren wollen, weil schon 2 Bands bestätigt seien, die wir mögen. Und sie sagte JA unbedingt. Letztes Jahr wär sie schon gern hin, fand aber keine Leute.
Bedenke zu der Zeit war Wacken kein bisschen in der Gesellschaft außerhalb der Metal-Szene bekannt und hatte knapp 30.000 Besucher, davon auch viele aus dem Ausland. Die Leute, die damals hingefahren sind...sind niemals hingefahren, weil sie in der BILD, dem ZDF irgendeiner Fernsehreportage davon gehört haben. Sie sind wegen der Musik hingefahren. Denn Wacken mauserte sich etwa zwischen 1997-2003 zu einem Mekka der Metal-Szene und damit sind nicht Leute gemeint, die mal neben Hurricane etwas anderes ausprobieren wollten oder die ein gerade bekannter Headliner wie Volbeat, Rammstein oder Iron Maiden oder so gelockt hat. Zu der Zeit gab es in Wacken keine Mega-Headliner.
Auf den Campgrounds wurde im Prinzip fast nur Metal gespielt, eher wenig Disco, Party-Musik oder etwas anderes aus dem Mainstream. Man kam um den Metal zu feiern. Und die Besucher mit denen ich damals ins Gespräch gekommen war unterhielten sich viel über Musik. Die Vielfalt der verschiedenen Band-Shirts war sehr groß. Heute dominieren zunehmend Shirts bekannter Bands und auf den Campgrounds wird auch mehr andere Musik gespielt. (Nicht nur auf Wacken.)
Als wir das erste Mal in Wacken waren, war das wie in eine eigene Welt einzutauchen. Und überall waren Gleichgesinnte, coole Leute. Wir fühlten uns für ein Wochenende von diesem restlichen Mainstream abgeschnitten, wie wir es wollten. Wacken ist durch solche Leute groß geworden. Das Festival hatte eine einzigartige Atmosphäre. Alles ohne großartige Werbung, ohne einheitliches Vermarktungskonzept. Die Schriftart des WOA war damals auch noch schlicht.
Es hatte einfach alles gestimmt...zumindest für die Spezie Metalhead.
Doch dann geschah über die Jahre etwas...
Metal wurde immer populärer. Plötzlich haben nicht nur irgendwelche komischen Leute Metal gehört, sondern es kamen immer mehr Leute samt Anhängseln. Metal wurde bekannter und bekannter...und Wacken immer größer und größer und immer mehr Attraktionen kamen dazu, die mit Musik nichts zutun haben, einige aber störten andere wiederum gekonnt ignorierten.
2007 ging das dann mit der einheitlichen Vermarktung meine ich richtig los und es gab immer mehr Sponsoring und Werbung, sowohl von Wacken in den Medien, also auch von Werbepartnern auf Wacken.
Und ab da hatte sich die Atmosphäre tatsächlich auch merklich aus meiner Sicht nicht unbedingt zum Vorteil des Festivals verändert. Während man vorher in einer Welt der Musik war, war man nun umgeben von Werbebannern von Becks, Relentless, ZDF, AXE und sonstwem.
Immer wieder sah man Leute in Hawaii-Hemden, offenkundige RTL-Prolls, die zum Saufen gekommen waren und ähnliche Festivaltouristen. Das ist inzwischen wieder weniger geworden, aber im Publikum hat man Veränderungnen gesehen, die immer mehr alte Besucher verärgerten. Auch wenn sich die Anzahl solcher Leute tatsächlich vermutlich ziemlich in Grenzen hielt/hält, reichten einzelne solche Erlebnisse die Stimmung zu trüben. Vorher gab es sowas schlichtweg nicht, weil man nur unter sich war und unter sich sein wollte. Inzwischen ist es auf vielen Festivals normal, dass man Leuten begegenet, denen man eigentlich nicht begegenen will. Das ist KEIN Wacken-Problem, das ist ein allgemeines Problem, was aus der Popularität mancher Bands resultiert.
Es war jedenfalls nicht mehr ein Ort an den nur Gleichgesinnte kamen, sondern man fühlte sich in seinem eigenen metallischen Zuhause immer weniger wohl. Und nun...Wacken ist in allen Massenmedien vertreten.
Es gibt Leute, die darin die Ursache des Popularitätsproblems sehen und der damit einhergehenden Nachteile.
Vermarktungstechnisch, vom Wachstum her, von wirtschaftlichen Kennzahlen aus betrachtet ist die Wacken-Geschichte ohne Frage die Geschichte eines Erfolges. Ein Festival, was aus einer Bierlaune heraus in einer Scheune begonnen hat und nun zu einer Veranstaltung von Weltformat ausgewachsen ist. Aber nicht ohne dafür einen Preis zu zahlen.
Nach Außen mag Wacken für viele neue Leute total authentisch wirken. Es ist sicherlich auch DIE Veranstaltung in Deutschland, die ein gewisses wahrnehmbares Profil hat. Marketingtechnisch eine Meisterleistung.
Allerdings...die, die das alte Wacken kennen, hätten gerne zumindest ein Stück die alte Zeit zurück. Wobei ich denke, dass sich hier auch eine gewisse jugendliche Nostalgie mit einschleicht. ^^
Ich persönlich find es immer noch cool und fahre auch gern hin, aber es gibt einfach Dinge die mich auch stören und das ist eigentlich genau der Marketing-Schnick-Schnack, die Werbepartner...und ein wenn auch eher kleiner Teil des Publikums, der gefühlt auf Wacken einfach irgendwie falsch ist.
Leider hat sich die Musiklandschaft auch in Richtungen entwickelt, die mir persönlich nicht so gefallen. Das spielt bei der Wahrnehmung der Atmosphäre sicherlich auch eine Rolle.