Den Eindruck habe ich auch. Und das is Käse. Ein Mensch ist ein Mensch, ein Schwein ist ein Schwein, eine Forelle ist eine Forelle. In der Bioethik bzw speziell Tierrechtsethik geht es nicht darum, die Menschenrechte 1:1 auf alle anderen Spezies zu übertragen. Welchen Sinn sollte das haben? Jede Spezies hat abhängig von Sozialverhalten, Territorialverhalten, Emotionalität, Intelligenz, Nervensystem usw unterschiedliche Bedürfnisprofile. Ein Schwamm beispielsweise, der ja zum Tierreich gezählt wird, hat nach aktuellem Wissenstand nichtmal ein Interesse an Schmerzfreiheit, da er aufgrund fehlender Strukturen für Schmerzreize gar nicht empfänglich ist. Menschen, die ebenfalls zum Tierreich gehören, haben hingegen sogar spirituelle Bedürfnisse, die durch das Recht auf freie Religionsausübung gesichert werden sollen.
Daher fordert die Tierrechtsbewegung nicht "gleiches Recht für alle", sondern "gleiche Berücksichtigung gleicher Interessen". Und das ist völlig legitim und richtig. Wenn es falsch ist, einem Menschen, der aufgrund seines ZNS ein Interesse an körperlicher Unversehrtheit hat, Schmerzen zuzufügen, dann ist es ebenso falsch, zB einem Schwein, dass daran aufgrund ähnlicher Strukturen ebenso ein Interesse hat, Schmerzen zuzufügen. Soweit sind wir uns sicherlich noch einig.
Was ist aber mit Spezies, die tatsächlich ein Interesse am Leben an sich haben? Jetzt würden die meisten wahrscheinlich sagen, dass das doch jede hat. So weit man weiß, ist das aber nicht der Fall. Defintiv ein Interesse am "Leben an sich", haben zB Menschen. Wir leben selbstbewusst, kennen unsere Vergangenheit und planen unsere Zukunft. Sogar einer der Begründer der Tierrechtsbewegung, Peter Singer, hält daher die Tötung eines (normal entwickelten) Menschen für eine der schlimmsten Tötungen überhaupt. Da man nicht nur den Mensch in seinem Ist-Zustand tötet, sondern mit ihm auch seine Zukunft und Vergangenheit, da man wahrscheinlich das Streben nach einem bestimmten Ziel, also die Arbeit vieler Jahre zunichte macht und darüber hinaus auch noch "seine Wünsche und Pläne für die Zukunft vereitelt". Auch das mögliche Leid von wahrscheinlich vorhandenen Angehörigen bezieht er in seine Überlegungen mit ein.
Nun...von zB den großen Menschenaffen wissen wir, dass ganz ähnliches auf sie zutrifft. Sie leben nicht einfach im "Jetzt und Hier", sondern sind sich, genau wie wir, ihrer Vergangenheit bewusst und sie planen in die Zukunft. Sie haben ein Verständnis vom Tod und trauern in sehr ähnlicher Weise wie wir um verstorbene Angehörige. Daher hat Singer zusammen mit Jane Goodall (sozusagen die Diane Fossey für Schimpansen) das Great Ape Project gegründet. Gefordert wird, dass Menschenaffen die grundlegendsten Rechte, die wir auch unserer eigenen Spezies einräumen, gesichert werden. Die wären das uneingeschränkte Recht auf Leben, Freiheit und körperliche Unversehrtheit. Da diese Menschenaffen das gleiche Interesse an der Erfüllung dieser Rechte haben wie wir Menschen. Ein Recht auf Pressefreiheit hingegen würde kein gesunder Mensch für diese Affen fordern. Es geht also nicht um die willkürliche Übertragung von Menschenrechten auf irgendwelche anderen Arten, sondern um ein Ende der willkürlichen Sicherung eigener Rechte, bei Ignoranz gleich gelagerter Interessen aufgrund der Spezieszugehörigkeit.
Allerdings weiß man inzwischen auch, dass das nicht nur für Menschenaffen gilt. Der Zuwachs an neuen ethologischen Erkenntnissen erschlägt einen förmlich. Wo wir vor wenigen Jahren noch reines Instinkverhalten zu sehen glaubten, wissen wir heute von zT recht hoher Intelligenz und überlegtem Verhalten. Bei einigen Tiersprachen hat die Zoosemiotik grammatikalische(!!!) Strukturen entdeckt und wir stehen in diesem Forschungszweig noch ganz am Anfang. Einige (fleischessende!) Forscher sind daher schon heute der Meinung, dass die Menschheit vielleicht schon in einigen Jahrzehnten auf Fleisch verzichten wird, da es sich dann endgültig als ethisch nicht vertretbar herausstellen wird.
Also nochmal. Unterschiedliche Arten haben unterschiedliche Bedürfnisprofile, daher kann "Gleiches Recht für Alle!" nicht das Ziel sein. Allerdings: Gleiche Interessen müssen gleich berücksichtigt werden. Wenn wir es mit unserer vielgelobten "Menschlichkeit" ernst meinen, dann dürfen wir andere nicht nur aufgrund ihrer Spezieszugehörigkeit aus unserer moralischen Gemeinschaft ausschließen. Das ist pure Willkür und ebenso absurd wie Rassen- oder Geschlechtertrennung. Das alles hat nichts mit Tierliebe (imho ohnehin ein sehr abfälliger Ausdruck) zu tun, sondern mit Respekt und Achtung vor "dem Anderen". Wir sind genauso zufällig hier wie jede andere Art und eine grundsätzliche Überlegenheit oder "höhere Wertigkeit" des Menschen kann man nur religiös begründen, aber niemals sachlich.