Notlandung im Hudson River
„Höllisch gut“
Von Katja Gelinsky, Washington
16. Januar 2009 Als Chesley B. Sullenberger seiner Frau am Telefon berichtete, es habe „einen Unfall gegeben“, klang das für Lori Sullenberger, als spreche „Sully“ von einem belanglosen Zwischenfall, so ruhig und gefasst wirkte der 57 Jahre alte Pilot, der das „Wunder auf dem Hudson“ vollbrachte. Dass der Flug 1549 nicht zur Katastrophe wurde, ist vor allem dem professionellen und besonnenen Einsatz des Kapitäns zu verdanken. Sullenberger hatte kurz nach dem Start auf dem New Yorker Flughafen LaGuardia einen „doppelten Vogelschlag“ gemeldet. Mit Bravour, so bescheinigen Fachleute dem ehemaligen Kampfpiloten, habe er anschließend eine Notwasserung auf dem Hudson River absolviert, die den 155 Menschen an Bord des Airbus das Leben rettete. Als das Flugzeug ins Wasser sank, ging Sullenberger noch zweimal durch die Sitzreihen, um sicherzugehen, dass alle Insassen das Wrack verlassen hatten. „Meisterhaft“, lobte New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg.
Die Legendenbildung um den neuen „Superhelden“, als der Sullenberger von der amerikanischen Boulevardpresse gepriesen wird, hat bereits begonnen. Wie David Niven, der in Rollen des britischen Gentleman brillierte, habe Sullenberger gewirkt, als er das sinkende Flugzeugwrack verließ, berichtete einer der Rettungskräfte. „Seine Uniform saß immer noch tadellos.“ Später habe der Flugkapitän inmitten der Szenerie, die aus einem Actionfilm hätte stammen können, noch mit der Pilotenmütze auf dem schütteren Silberhaar dagesessen und an einem Kaffee genippt.
Sympathisch und bescheiden
Bei der Bewältigung der Katastrophe haben Sullenberger, der unter anderem Psychologie studierte, nicht nur seine gelassene Unerschrockenheit, sondern auch jahrzehntelange Erfahrung im Cockpit und die Tätigkeit als Sicherheitsfachmann für die Luftfahrt geholfen. Bevor er 1980 Pilot bei der Fluggesellschaft US Airways wurde, war er Kampfpilot bei der amerikanischen Luftwaffe. Ein Grund für die „höllisch gute Notlandung“ auf dem Hudson, die gerettete Passagiere dem Kapitän attestierten, dürfte auch seine Zusatzausbildung im Gleitflug gewesen sein. Ferner leitete Sullenberger Untersuchungen zu Flugzeugunglücken und war Sicherheitsverantwortlicher bei der Pilotenvereinigung Alpa. Überdies saß er in Komitees, die sich mit Sicherheitsfragen im Flugverkehr befassten. Als Berater war Sullenberger unter anderem für die amerikanische Behörde für Transportsicherheit und für die Weltraumbehörde Nasa tätig. Er arbeitete an Studien mit, die als Vorlage für ein verbessertes Sicherheitstraining bei der Nasa dienten.
Sullenberger hat außerdem sein eigenes Unternehmen, „Safety Reliability Methods“, das Gutachten in Sicherheitsfragen anbietet.
Seine Fliegerkollegen äußerten sich nach der geglückten Notwasserung voll des Lobes über seine Leistung. Der Pilot Rick Kurner erklärte dem Wall Street Journal: „Sully war immer unglaublich professionell. Ich war kein bisschen überrascht, als ich von seiner Meisterleistung hörte. Er wird sich ganz cool überlegt haben: 'Wo soll ich hin? Stadt? Stadt? Fluss!'“
Die richtige Persönlichkeit
Karlene Roberts, Professorin in Berkeley und Konrektorin des Zentrums für Katastrophenvermeidung, sagte: „Sullenberger war genau der Mann, den die Passagiere brauchten, um zu überleben.“ Sein Forschungsgebiet sei die Vermeidung von Flugunglücken gewesen. „Ich kann mir gut vorstellen, wie er alles dafür getan hat, um die Leute da raus zu kriegen. Er hat genau die Persönlichkeit, die man dafür braucht.“
In seiner kalifornischen Heimatstadt Danville wundert man sich bei allem Stolz auf „Sully“, der als sympathisch und bescheiden gelobt wird, nicht über den neuen Helden von New York. Als er im Radio von der gelungenen Notlandung gehört habe, so ein Nachbar, habe er sich gefragt, ob Sullenberger der Flugkapitän gewesen sei. „Wenn jemand so etwas fertigbringt, dann 'Sully'.“
Text:
F.A.Z.