Eigentlich lässt sich der ständige Konflikt mit der Antifa bei Neofolk-Konzerten ganz leicht erklären: Teile der Dark/Neofolk (und x weitere Genrebezeichnungen)-Szene sind heidnisch geprägt. Nach meiner Erfahrung allerdings meist auf einem anderen Niveau als eine x-beliebige Metalband die aus dubiosen Gründen solche Themen aufgreift. Künstler aus diesem Dunstkreis tragen ihre "Einstellungen" nicht unbedingt vorne auf der Brust, sondern leben diese oft stiller, dafür aber mit mehr Hintergrund und auf anderem kulturellem Niveau aus. Um so manches Neofolk-Werk zu durchsteigen, ist eine detaillierte Beschäftigung mit betreffenden geschichtlichen Themen nötig. Ich kann mich an das Studieren einer Rezension der wohl eher politisch links einzuordnenden Band "Rome" erinnern, bei der mir nur so die Ohren schlackerten: Sprachsamples von mäßig geschichtsträchtigen Personen, die mir bis dahin völlig(!) unbekannt waren, zusammengebaut zu einem Gesamtwerk mit faszinierenden Ideen. Diese Komplexität, eine oft hohe Interpretationsmöglichkeit und das Spiel mit Doppeldeutigkeiten sind hauptsächlich für den dubiosen Ruf dieses Genres verantwortlich.
Bei einer recht großen Auswahl von Bands gibt es einige populäre Beispiele wie z.B. "Der Blutharsch", in deren Bandgeschichte sich -vor allem auf früheren Albencovern- auch mal heidnische Symbole finden, die heute als "zweifelhaft" bezeichnet würden, bei denen aber durchaus nicht klar ist dass diese damals schon so gehandelt wurden. Und "damals" reicht in diesem Fall duchaus bis in die frühen 80er zurück. Außerdem liegen von dieser Gruppe diverse, neuere Interviews vor in denen man sich deutlich von zweifelhaftem Gedankengut distanziert.
Eine andere bekannte Band, "Death in June" hat u.A. einen dem SS-Totenkopf nachempfundenen Totenkopf als eines ihrer vielzähligen Symbole. Ein Spiel mit nationalsozialistischer Ästhetik findet in Teilen also durchaus statt. Textlich schlägt sich das allerdings nicht nieder, jedenfalls nicht auf glorifizierende Weise, auch wenn einige provokante Titel dies zunächst vermuten lassen. Die Texte von DiJ z.B. handeln vorwiegend über Liebe und Ästhetik. Im starken Kontrast zum NSBM z.B. ist es außerdem schwer bis beinahe unmöglich, in diesem Kreis NS-verherrlichende Texte zu finden. Das krasseste mir bekannte Beispiel sind da sicherlich "Von Thronstahl", deren Frontmann sich während der 90ern in dubiousen, rechtskonservativen Kreisen bewegt hat und in dessen Ideologie auf jeden Fall eine Glorifizierung eines heidnischen Europas zu finden ist. Ein harscher Ton gegenüber linken Gemeinschaften und Gedankenkonstrukten sowie die Verwendung der schwarzen Sonne haben schnell ihr übriges getan, um den Ruf dieser Band irreparabel zu beschädigen obschon selbst in ihren Texten kein Rassismus o.Ä. zu finden ist, allenfalls z.B. Sprachsamples von Personen, die solchem Gedankengut nahe stehen könnten. Allerdings findet man praktisch immer(!) großen Spielraum für Interpretationen, sodass es letztendlich eine eigene Auslegungssache bleibt, wie man die Band bewertet, jedenfalls in meinen Augen. Dazu sei gesagt, dass auch populäre Quellen wie Wikipedia keine der genannten Bands als rechtsradikale Band bezeichnen, sondern lediglich die Diskussionen um die Bands bzgl. dieses Themas erwähnen. Mehrmals werden auch Statements aufgeführt, in denen sich die Künstler klar von solchem Gedankengut distanzieren. Weitere Bands wie z.B. Triarii werden von vielen leuten hier im Forum mit höchster Achtung genossen, fallen aber ebenfalls bereits in das "Beuteschema" der Antifa.
Beim konkreten Beispiel von OTW&TM (Dänemark) ist es mir völlig unverständlich, woher diese harschen Boykottforderungen seitens der Antifa stammen. Ich habe mehrere Werke der Band selbst kritisch geprüft und auf eventuelle NS-verherrlichende Aspekte untersucht und kann sagen, dass sich die Lyrics ausschließlich um Naturverbundenheit, Negativismus und (abstrakte) Gefühlswelten drehen. Es ist bei der Band schon schwer, überhaupt aggressive Texte zu finden. Die Antifa verweist wohl auf eine Textzeile, in der von einer "Black Sun" gesungen wird wobei hier -gerade wegen der vielen negativen Naturmetaphern- überhaupt nicht klar ist ob es sich dabei um das umstrittene (nicht verbotene, das sollte hier mal erwähnt werden!) Symbol handelt. Abgesehen davon existiert bereits ein dementierendes Statement seitens des Bandkopfes, in dem er die an ihn gerichteten Vorwürfe widerlegt. Es wird mir ein Rätsel bleiben, wie man trotz eines derartigen Mangels an Anklagepunkten sowie eines Statements der Band zu einer Absage greifen kann, obschon ich die Betreiber des Verantwortungsortes verstehen kann, die nicht ins Kreuzfeuer militanter Antifas geraten wollen: denn wer da einmal reinrutscht hat verloren und muss sich mit einer gesellschaftlichen Unterischt auseinandersetzen, die aufgrund ihres Irrglaubens sie befinde sich in moralischem Recht zu praktisch allem fähig und bereit ist: wer einmal in diesen Strudel gerät, hat verloren. Deutschlandweit. Und, wenn ihr mich fragt, sollte eine derartige Macht Künstler und ihre Werke zu beschädigen schleunigst gezügelt, kontrolliert(!) auf ein sachliches Niveau zusammengestaucht werden. Der Verein hatte sicherlich mal einen Sinn, um Neonazi-Veranstaltungen entgegenzuwirken: heute allerdings schadet er offenbar weit mehr, als er nützt und das in einem meiner Meinung nach nicht tragbaren und gefährlichen Umfang.
Allgemein sei hier nochmal betont, dass man auch diese Antifa-Denkweise meiner Meinung nach nicht übernehmen muss: Eine Band sollte dann nicht mehr konsumiert werden, wenn sie sich -wie auch immer- offen zu NS-Gedankengut bekennt und dieses propagiert und nicht weil Künster X mal mit Künstler Y gearbeitet hat, der eine dubiose Meinung im Interview 1985 geäußert hat. Das ist völlig übertrieben. Und dass der Umgang mit solchen Themen mittlerweile sowieso völlig willkürlich stattfindet, sieht man am prominenten Beispiel Varg: Die hatten nämlich tatsächlich ein klar erkennbares Swastika auf ihren Platten und Shirts sowie Speichellecker-Kontakt zu Absurd, durften aber dank bevorstehendem Majorlabelvertrag und vorheriger Bestätigung ein, zwei Jährchen später nach einem halbgaren Statement überall widerstandslos auftreten. Es wird also nicht nach Beweislast, sondern nach Lust und Laune vorgegangen. Einfluss zählt mehr als Einstellung. Ich kann daher nur empfehlen, sich über jede nicht eindeutige Gruppe eigene Recherchen anzustellen, nicht ausschließlich indymedia, turnitdown oder sonstwas zu vetrauen und selbst zu entscheiden, was noch vertretbar ist und was nicht. Dafür sind wir ja mündige Bürger.