Bei Leuten, die das Wort "Bulle" abfällig verwenden, habe ich aber in der Regel nicht das Gefühl, dass sie da unterscheiden, ob sie gerade die Polizei als Institution oder Polizisten als Menschen meinen. Wobei das Menschsein da ja auch gerne mal einfach aberkannt wird.
Natürlich sind das keine scharf und sauber getrennten Kategorien die auch jeder so nutzt, wie ich das erklärt habe. Aber meine Aussage war ja auch, dass >ich< verstehen kann, wieso man den Respekt vor dieser Institution verliert. Die Polizei ist in meinem ansehen gerade auch nicht sonderlich weit oben. Ich schreibe hier trotzdem nicht über Bullen, weil ich finde, dass das nicht in eine gute/faire/sachliche Diskussion gehört (Und weil sonst vermutlich einige hier an Schnappatmung ersticken würden
).
Man kann aber eine Tat nicht daran messen, was sie in einer anderen Situation möglicherweise bewirkt hätte.
Aber nehmen wir man an, dass der Treter da mit dem Tod George Floyds im Kopf eine Notsituation gesehen hat, aus der er den Festgehaltenen befreien wollte.
Es war also kein Angriff gegen einen Polzisten, weil er Polizist ist, sondern gegen einen Menschen, weil er die Gesundheit eines anderen gefährdet.
Inwiefern haben wir bei jemandem, der friedlich durch den Park spaziert, eine irgendwie ähnlich geartete Situation?
Das Beispiel sollte verdeutlichen, dass der Polizist quasi "immer" auch ein Symbol ist. Und gerade dieses Symbol wie es da vorkam, ist ja gerade ein ziemlich deutliches. Oder kommt es dir gerade nicht komisch dabei vor, wenn du siehst, wie sich ein Polizist auf jemanden kniet?
Ah, der Polizist hat es sich also selber ausgesucht. Gehört halt zum Job, angegriffen zu werden, während man seinen Job macht, auch wenn man sich nichts zu schulden kommen lässt. Der kann's ja ab, ist ja dafür ausgebildet worden und hat ja auch noch seine Kollegen dabei.
Wenn es darum geht, ob das irgendwie besser ist, als die andere Situation, dann ein klares: Ja.
Oder vielleicht nochmal anders: Stellen wir uns einfach vor, der Polizist ist Schwarz...
So, jetzt stell dir mal folgendes Szenario vor und sei bitte ehrlich zu dir:
Du sitzt im Zug. An einer Station steigt ein Mensch ein, der Syrer sein könnte. Er sieht nervös aus. Irgendwann steht er auf und geht weg, lässt aber seinen Rucksack zurück.
Nach zehn Minuten ist er nicht zurück.
Welche Gedanken gehen dir spontan durch den Kopf?
Jetzt das gleiche mit einem "weißen Deutschen".
Ich bin nicht der einzige, der sagt, dass jeder irgendwelche Vorurteile hat, selbst wenn er diese intellektuell als Unsinn erkennt und niemals bewusst nach diesen handeln würde.
Außerdem haben wir ja auch in der Gesellschaft Probleme mit Rassismus, wie du selber sagst. Leben wir also in einer rassistischen Gesellschaft? Müssen wir jedem erstmal unterstellen, Rassist zu sein?
Stellt jeder von uns, bzw. unsere Gesellschaft, eine Gefahr für jeden Schwarzen, der sich unter uns bewegt?
Unsere Gesellschaft und Politik hat ja ebenso Probleme damit, die rassistischen Strömungen innerhalb zu bekämpfen, so wie die Polizei auch.
Ich weigere mich aber, unsere Gesellschaft allgemein als rassistisch anzusehen.
Und das Schweigen über das Fehlverhalten von Kollegen ist ja erstmal nichts rassistisches, das kommt auch bei jeder Art von Vergehen vor.
Es wird aber wohl kaum ein Polizist jemals die Anweisung bekommen, sich rassistisch zu verhalten. Und das wäre, was ich aus deiner vorigen Behauptung verstanden habe.
Und das ist ein extrem großes Problem in dieser Debatte: Unser Umgang mit unserem internalisiertem Rassismus.
Es geht dabei nicht darum zu sagen, du, ich, alle sind Rassisten. Es geht darum anzuerkennen, dass es aber einen auf Privilegien und verinnerlichten Vorurteilen und Diskriminierungen basierenden Rassismus gibt.
Privilegien sind da ein großer Punkt. Das wir Weiß sind ist ein Privileg. Ein Privileg zu haben bedeutet nicht, dass wir es automatisch einfach im Leben haben, oder dass man keine Probleme hat, sondern dass man auf jeden Fall ein paar Probleme weniger hat. Als Weiße Person bekommst du hier leichter einen Job, leichter eine Wohnung, du musst dich nicht dafür rechtfertigen wo du herkommst, du hast keine Angst vor der Polizei, du kriegst etwas dass deiner Haut ähnelt, wenn du etwas hautfarbenes kaufst, du bist in einem Beispiel von jemandem der aus Versehen seine Tasche vergisst nicht derjenige der als potentieller Attentäter Angst macht, du wirst nicht von der Polizei kontrolliert, weil du nur durch deine Hautfarbe in ein bestimmtes Täterprofil passt, etc.
Und du und ich und die meisten hier im Forum haben noch dazu das extrem große Privileg, dass wir diese Debatte beenden können, wenn sie uns zu viel wird und wir keine Lust haben uns damit auseinander zu setzen. Weil: Die ist natürlich nicht angenehm. Niemand hört/liest sowas gerne über sich, oder über das was die Person sonst so als gut, normal und richtig kennt. Aber -und jetzt sei du bitte ehrlich zu dir- wenn du keinen Bock mehr darauf hättest, kannst du dein Leben völlig unbehelligt und genauso wie vorher weiter führen, als wäre nichts. Du müsstest dich keinen Moment weiter damit auseinander setzen, dass es in dieser Gesellschaft Menschen gibt, die es nur aufgrund anderer Hautfarbe, Herkunft, etc. weitaus schwerer haben.
Aber nochmal: Damit sage ich jetzt nicht, dass du ein Rassist bist. Ich sage deshalb aber, dass wir in unserer Gesellschaft ein generelles unterschwelliges Rassismus-Problem haben. Ein Aspekt davon ist, dass wir uns überhaupt erst weigern dieses Problem anzuerkennen. Frag dich dazu mal, wieso wir im Schulunterricht nie großartig etwas über die Kolonialzeit gelernt haben und welche schrecklichen Ausmaße das eigentlich hatte. Wieso jetzt Leute auf Biegen und Brechen Statuen behalten wollen, von Leuten die in genau dieser Zeit die schlimmsten Dinge getan haben? Statuen die sie sonst nie angeguckt haben.