Ich bin mir ziemlich sicher, dass mit dieser Berichterstattung der ganze Laden den öffentlichen Deppen zugänglich gemacht wurde.
Es fing vor ein paar Jahren an damit, dass ein paar halbnackte Tusen in Strapsen durch den Campground gezogen sind (begleitet von ner Kamera), die versucht haben, qua ihrer erotischen Erscheinung irgendwo nen Zeltplatz zu bekommen. Vermittelter Eindruck: Frauen alle willig und geil, Männer alle willig und geil. Reinstecken gibts für umsonst.
Full-Metal-Village - ein Dorf mit lustigen und sehr sympathischen Menschen feiert zusammen mit grunzenden und eigentlich gar nicht so fiesen Metallern und mosht zur lokalen Trompeten-Blas-Kompanie. Das vormals so ultraböse und schwarze und dreckige und ekelige Metalvolk wird in ein rosa Tütü gesteckt, arbeitet gleichzeitig als geriatrischer Lebenssinnspender und pflegt eifrig Harmonie mit der ansonsten überall auf der Welt bösen und leidenden Bevölkerung, die neben einem solchen Festival coexistiert.
Weitere Berichte Richtung Ballermann, Saufen, Poppen und Titten lass ich mal raus. Einzig eines fällt sofort auf: die Vorbereitungen finden nicht mehr still und heimlich im Keller statt, sondern die ersten Berichte über die größte Ansammlung gezähmter wilder Tiere läuft schon 2 Wochen vorher auf Kabel1, RTL II und auf N24 in der Nacht-Dokumentation direkt nach Grzimeks Wackengeti darf nicht sterben. Eine Woche vor dem Fest geben dann ARD, ZDF und der WDR ein Stelldichein - die gleichen Berichte, nur mit der ultimativen Pointe: selbst der sonst niemals lächelnde, seriöse und immer gut beschlipste Tagesschau-Sprecher wird in quasi unermesslichen Grinse-Anfällen geschüttelt vor Sympathie, wenn es endlich mal wieder soweit ist und der niedliche, schlammgetränkte Metaller zum Ringelpiez mit dem Rest der Welt einlädt.
Dieses Jahr habe ich wieder in reger Erinnerung. Siehe da, die Politik gibt sich ein Stelldichein. Ich-brauch-Wählerstimmen-egal-woher-Carstensen posiert mit zwei hübschen schwarz gekleideten Mädels stimmungsvoll vor den Bühnen, jeder noch so hunzelige Vorortsender verspricht sich Quoten, wenn mal wieder das Phänomen Wacken aufgearbeitet und präsentiert wird und die Quintessenz ist wie immer und jedes Jahr die gleiche: besoffen sein, dabei gute Laune haben, harte Schweine mal ganz weich und luschtig, halbnackte Frauen ohne Ende und die real existierende Bierfreiheit.
So.... mal zusammenfassend gefragt - was erwarten wir nun ernsthaft, wer durch solche Berichte angezogen wird? Mein Eindruck:
- halbstarke, die mal hart sein wollen, dabei aber genau wissen, dass es erst in Grenzsituationen aufs Maul gibt... bzw. eigentlich gar nicht, sagt ja schließlich die Tagesschau --> heißt also: Freibrief zum Asitum.
- Kegelclubs, die den Sauerlandstern nun oft genug gesehen haben und auch endlich mal das "bodenständige" Volk kennenlernen wollen (innen Spiegel schauen hätte ja auch gereicht)
- back-to-the-roots-Wiederentdecker, die RaR zu kiddiehaft finden und die sich bei der Hatz nach dem bestrapsten Frauenbein nicht gleich mitm Jugendamt anlegen wollen
- alle diejenigen, die zwar Hard Rock noch ganz gerne haben, aber bisher immer fürchteten, dass die tatsächliche Heavy Metal Gemeinde doch ein wenig zu hart sein könnte --> Bedenken weggewischt, weil friedlich ist ja alles in Wacken
- diejenigen, die zwar mit Metal nix am Hut haben, aber auch nicht immer nur in den Zoo rennen wollen, um Affen mal aus der Nähe zu sehen und deswegen in höchster Abenteuerlaune wie anno dunnemals Amundsen zur Polkappe nun nach Wacken aufbrechen, um endlich mal die totale Wildnis mitten in der Zivilisation zu erleben (natürlich - wie es der gute Bürger mag möglichst gefahrfrei, aber das ist ja mittlerweile hinreichend belegt).
- ach ja und nicht zu vergessen diejenigen, die so ultraindividuell sind, dass sie sich auf dem Wacken genau richtig wähnen. Hasenohren sind individuell, Titten raus ist individuell (oder Schwanz - je nach Körperbau vielleicht auch beides), Dixies umwerfen ist individuell, Pavillons zerstören und Zelte anzünden ist auch total individuell.... ja und vor allem spürt man endlich wieder seine animalische Seele, die in Wacken anscheinend ihren Altar stehen hat und somit den gänzlichen Freibrief zur Verfügung stellt.
Tjoa.... das ist also mein Eindruck.
Selbstredend - es sind auch viele dazugekommen, die zweifelsohne eine Bereicherung darstellen, aber gerade solche Typen wie oben genannt sind mir in den letzten 2-3 Jahren doch ziemlich aufgefallen.
Ebenso muss ich ne Lanze brechen für diejenigen Nicht-Metaller, die die letztjährigen Berichterstattungen sehr positiv zur Kenntnis genommen haben, mit großem Interesse diverse Berichte geschaut haben, aber trotzdem völlig sachlich feststellen: "scheint ne tolle Gemeinde zu sein, aber ist nicht mein Ding. Viel Spaß allen, die toll und friedlich feiern können, war nett, die Metalgemeinde mal aus anderen Augen gesehen zu haben." Solche gibts halt auch.
Tja... soweit also mein ganz eigener persönlich düsterer Abriss der Medienlandschaft Wacken.
Nennen wir es mal die Quintessenz der Freiheit, um nicht die gesamte Asche über der Presse und den Medien auszuschütten. Letztendlich ist es ja der Zuschauer, der aus welchen fehlinterpretierten Stimuli auch immer irgendwann dann beschließt: da muss ich dabei sein. Manchen Leuten fehlt anscheinend völlig die Erkenntnis, dass auch andere Menschen auf dieser Welt Spaß haben können, ohne dass man immer sofort Teil des Ganzen werden muss - vor allem dann nicht, wenn man außer den Medienberichten sonst nix von der Sache weiß. Denn eines - und dann sind wir wieder bei der Medienkritik - bleibt halt ultimatives Ziel dieser Meiden: schnell Aufmerksamkeit, schnell präsentiert und dies möglichst breitenwirksam. Hintergründiges gibt es dann meist zu den Uhrzeiten und auf den Sendern, die der geneigte TV-Konsument im allgemeinen nicht mehr zur schnellen Unterhaltung nutzt.
Gutgehn
stratege