Grade eben A Serbian Film gesehen. Schlag in die Magengrube.
So, jetzt bin ich also auch um ein einhundertprozentig geschmackloses Gemetzel mit zweifelhaft anmutender, "kritischer" Intention reicher. Zeit für ein paar Hintergrundfakten und eine Reaktion.
Der Film ist nicht nur in diversen europäischen Ländern verboten, sondern wird sogar im Filesharing-Bereich oft nicht toleriert; bei dem jeglicher Zensur wohl am kritischsten gegenüberstehenden Publikum. Und das nicht zu Unrecht. Die Frage, die sich den meisten Zuschauern bei bildlich und inhaltlich grenzwertigen Filmen stellt, nämlich ob Abartigkeit in der Kunst zur Verdeutlichung einer extremen Aussage solche Darstellungen rechtfertigen kann, ruft dieser Film (natürlich) hervor. Ich habe zu dieser Frage bisher immer eine recht eindeutige Meinung gehabt, und es kam sehr selten vor dass ich der Zensur eine berechtigte Grundlage zugesprochen hätte. Dieser Streifen hat es geschafft, dass ich diese Meinung künftig nicht mehr uneingeschränkt vertreten kann. Das liegt aber keineswegs alleine an den zwei bis drei widerwärtig brutalen Szenen, die man besser als mit "Schlag in die Magengrube" nicht bezeichnen kann. Vielmehr zeichnet das unaufregende und viel zu schlecht dargestellte Drumherum sich für eine Verneinung jeglicher Legitimisierung solcher Bilder verantwortlich.
Dabei ist es nicht einmal die bloße Handlung selbst. Die ist nämlich gar nicht mal so undurchdacht und kann durch mehrere unerwartete Wendungen und ein paar geschickte Verflechtungen grundsätzlich überzeugen. Schlecht ist jedoch die Charakterisierung der einzelnen Personen. Und damit meine ich wirklich schlecht, enttäuschend, langweilend, nicht authentisch. Da wäre zunächst Milow zu nennen, von dem uns suggeriert werden soll dass er um seiner Familie ein besseres Leben zu ermöglichen mehr widerwillig als sonstwie einen letzten Job in seinem ehemaligen beruflichen Metier als Pornodarsteller im dreckigen Drittel annimmt. Man könnte also eine Familienidylle und die Erhaltung selbiger durch ein ruchloses, anstößiges und menschenverachtendes Berufsfeld kontrastieren.
Dieses Experiment scheitert nur leider in der ersten Szene des Films, in der zunächst einmal für mehr oder weniger normal erklärt wird, dass ein sehr junges Kind sich Hardcore-Pornos in denen sein Vater mitspielt zu Gemüte führen darf. Was soll der Zuschauer daraus schließen? Sicher nicht, dass da jemand versucht ein früheres, schreckliches Leben zugunsten eines normalen, besseren hinter sich zu lassen. Damit ist auch schon die Authentizität einer der Kernintentionen des Films, nämlich Milow als Opfer einer Industrie und des Geldes genommen. Der schauspielerischen Leistung dieser Rolle bleibt noch zu attestieren, dass die meisten Menschen wohl beim Lesen des Drehbuchs mehr Emotionen im Gesicht gehabt hätten als dieser Schauspieler im gesamten Film. Abgesehen von den abartigen Sexszenen vielleicht, aber das sollte man dann doch eher bedenklich finden.
Der nächste wäre der (vermeintliche) Regisseur des Films (Im Film) Vukmir. Von einer zentralen Figur wie dieser, welche als Vermittler zwischen der Abartigkeit der Drehinhalte und der nichtsahnenden Perspektive Milos und des Zuschauers fungiert, wäre die stärkste schauspielerische Leistung zu erwarten, um dem Film eine Daseinsberechtigung zu verschaffen. Leider heißt es hier: Enttäuschung par excellence. Ich habe die deutsch synchronisierte Version des Films gesehen, was erfahrungsgemäß bei sinkendem Budget steigende Entschuldigungsmöglichkeiten für jeden Film bedeutet. Hier jedoch nicht; man beobachte nur die Gestik und Mimik von Vukmir, während er „voller Innbrunst“ Milow die künstlerisch-ästhetische Seite seines Werkes immer wieder zu erklären versucht. Dorthin gehört ein wahnsinniger, passionierter, euphorisierter, unberechenbarer und gefährlich anmutender Soziopath. Leider bekommt man, nunja, man nehme die Gegenstücke der eben aufgezählten Attribute. Inhaltlich wird der Zuschauer von dieser Figur mit einigen Monologen zur politischen und sozialen Lage Serbiens sowie dem Verhältnis von Kunst und Pornografie bereichert, die in etwa so tiefgründig sind wie die Aufbauanleitung eines Überraschungseis. Porno und Politik, zwei tolle Schnipsel, da besteht also ein Zusammenhang. Der Rest ist Interpretationssache, auf die aber niemand auch nur annähernd Lust hat, da einen die Oberflächlichkeit der Darstellung förmlich erschlägt. Von der mangelnden Logik des inhalts dieser Ausführungen ganz zu schweigen. Nun sei an dieser Stelle angemerkt, dass mangelnde Logik bewusst als Stilmittel angewendet werden kann und sich bei mir großer Beliebtheit erfreut, spricht doch nichts dagegen dem Zuschauer einen guten Brocken eines Werkes selbst zu überlassen. Aber nicht hier. Hier hat dieser Mangel den einen und einzigen Effekt, den Eindruck zu erwecken dass es sich bei Srđan Spasojević um eine Person mit dem gleichen intellektuellen Niveau wie sein Hauptdarsteller handelt, die sich nicht anders zu helfen wusste als in ihren banalen Film die widerwärtigsten Szenen der Filmgeschichte einzubauen.
Der Rest der Darsteller ist schon zu nebensächlich und unscheinbar, um ihm überhaupt einen eigenen Absatz zu widmen. Allenfalls der „Security-Mann“, der Milow im Laufe des Films vergewaltigt, könnte erwähnt werden, denn den hätte man meiner Meinung nach an Vukmirs Stelle setzen können, ihm hätte man die ganze Scheiße mit einem differenzierteren Text vielleicht wirklich abgekauft, den irre sadistischen Blick hatte er.
Der Film verspielt durch seine mangelhafte Darstellung der Charaktere und (zwischen)menschlichen Beziehungen noch einen weiteren Punkt, der die Schockwirkung entscheidend verändert und zur ekligen Überflüssigkeit verkommen lässt: Realitätsnähe. Zu keiner Zeit konnte mich dieser Film davon überzeugen, „all das könnte wirklich passieren“. Ich brauche Geld“, „hast du mich jemals ficken wollen“, „vermisst du das Drehen“, hallo? Wer praktisch alle relevanten Konfliktinhalte im Leben der Protagonisten so unberührt und undifferenziert abarbeitet, der erschafft nicht gerade ein Produkt, das den Zuschauer das Gefühl haben lässt, er bewege sich nah am wahren Leben.
Fazit: Ein Film, dessen Oberflächlichkeit ihn lange vor der ersten außergewöhnlich brutalen Szene ins Abseits gefahren hat und eine ausbaufähige Story in der Darstellung komplett vor die Wand fährt. Der Regisseur erweckt den Eindruck, nichts anderes als neue Tabus brechen und dem Begriff Perversion neue Dimensionen verleihen zu wollen. Das alleine ist aber nie und nimmer berechtigend für die Erschaffung solcher Bilder. In der Vergangenheit habe ich mich über Moralaposteln geärgert, deren Horizontüberschreitung in grenzwertigen Filmen sie nach Zensur schreien ließ. Diesmal ärgere ich mich darüber, dass grenzenlos brutale Darstellung ohne jeglichen respektablen, künstlerischen Aspekt ausreichen um bekannt und berüchtigt zu werden. Dieser Film hat es nicht verdient. Nicht für drei beschissene Ultragewalt-Szenen und einen Sack voll Oberflächlichkeit. Übermögliche politische Aussagen die damit getroffen werden sollten habe ich auch keine Lust mehr zu schreiben.
2/10