Ganz nette
Kolumne von Sascha Lobo, der wie immer weit ausholt und ausschweifend Schlüsse zieht, aber immer grundlegend richtige Punkte erkennt.
Ganz abseite von der ganzen Überwachungsdebatte erkenne ich heute in vielen Teilen die kybernetische Steuerung der Gesellschaft.
Wie viele Idioten rezitieren immer wieder die Dystopie "1984" und rufen "Armes Deutschland", wenn sie wieder mal "uns Gutmenschen" dissen wollen, weil wir angeblich "Gedankenpolizei" spielen.
Die traurige Wahrheit ist: diese Ameisensoldaten sind selbst Bestandteil einer längst Wahrheit gewordenen, dystopischen Unterdrückungsgesellschaft geworden. Insofern finde ich die Zukunftsvision von Ray Bradbury aus "Fahrenheit 451" viel realistischer und auch erschreckender.
"The current situation is not a result of the state's doctrine.
It was forced by the people itself."
Die Kontrolle geht scheinbar von der Gesellschaft selbst aus, die aber kybernetisch gesteuert wird, heißt: deren Meinungsbildung manipuliert wird. Warum ich diesen Bogen spanne, will ich jetzt gern erläutern:
Das Ganze begegnet uns im alltäglichen Leben auf Schritt und Tritt. Ohne, dass irgendjemand von oben Druck ausgeübt hätte, bewegt sich die öffentliche Meinung schnell in eine bestimmte Richtung bei Themen, die mich bewegen. Beispiele für allgemein vorherrschende Meinungen in der Öffentlichkeit:
"Ein Problem mit Rechten gibt es nicht. Wenn, dann ist das eine Randerscheinung. Das sind wenige. Und die Linken sind genauso schlimm. Eigentlich sind das Problem die Linken, die die Rechten provozieren. Rechte und Rassisten in Institutionen, Behörden etc. gibt's überhaupt nicht."
"Zuwanderer kommen zu uns ins Land und wollen hier nur schmarotzen. Sie wollen unser Geld, wollen ins Sozialsystem. Menschlich nachvollziehbare Gründe für Flüchtlinge gibt's kaum, hierher zu kommen. Das sind Armutsflüchtlinge. Überhaupt haben wir gar kein Geld dafür, keinen Platz, und die Rechten machen Ärger, wenn die hier bleiben. Also lieber weg mit ihnen."
Ich könnte diese Liste endlos fortführen, könnte auch wieder die Polizei anführen, deren Darstellungen, die oft nicht den Tatsachen entsprechen, einfach ungeprüft von der Presse übernommen werden.
Das Ganze finde ich unheimlich gefährlich, weil diese Darstellungen in verschiedensten Formen von den meisten Schichten der Gesellschaft, vom armen Sozialleistungsempfänger über den Mittelständler bis zur wirtschaftlichen und politischen Elite nachgeplappert wird.
Warum aber machen die das? Nun, ich glaube, es werden die Meinungen vorrangig gepusht, die mit einer konservativen, macht- und geldgesteuerten Herrschaftsform, die sich vordergründig demokratisch gibt, am ehesten kompatibel sind. Querdenker und die, die gegen Missständ protestieren, sind fast immer das Ziel von Repression, wie z.B. aktuell die Flüchtlinge in Berlin oder allgemein Linke.
Was das Ganze ein bisschen konterkariert, ist das Internet, das teilweise auch eine Gegenöffentlichkeit ermöglicht. Gut so. Einerseits wird es damit möglich, auch anderslautende Meinungen einzustreuen, die sonst kein Gehör finden und niedergeschrien oder kriminalisiert werden.
Leider können sich dort auch die, die diese Kybernetik-Herrschaft zementieren, als Gutmenschenopfer darstellen. "Das wird man jawohl noch sagen dürfen", schallt es von überall her. Und so sind die, die sich selbst als Freidenker und Rebellen sehen wollen, in Wirklichkeit nur tumbe Mitläufer der breiten Masse, die sich selbst am wichtigsten ist.