und hier die Kieler Nachrichten:
"Wacken Open Air" - 35 000 Heavy-Metal-Fans feiern im Dorf
Ein gelungenes Open-Air-Festival besteht aus drei Komponenten: Organisation, Stimmung, Programm. Ein fantastisches Open-Air-Festival weist dazu etliche Glücks- und Zufallmomente auf, die den Kultstatus der Zukunft begründen. Und verzichtet - bestenfalls - gänzlich auf Regen. So geschehen beim 15. Wacken Open Air am vergangenen Wochenende, goutiert von rund 35000 Heavy-Metal-Fans aus aller Welt.
Schon auf dem Weg durch das Dorf Wacken ein Bild der guten Laune und Gemeinsamkeit, als Bauer Mommsen am Wegesrand zehn Kurze für zehn Euro anbietet (oder für die internationalen Gäste: "Ten Shorts for ten Euros") oder sich Kuttenträger vom Familienvater mit dem Gartenschlauch abspritzen lassen. Auf dem Gelände werden die Besucherströme schnurstracks zu den Zeltplätzen geschleust. Schnell Luftmatratzen aufgepumpt, Heringe versenkt, Biere geköpft - los geht's!
Gleich im ersten Zelt, dem "Headbangers Ballroom", bekannte Gesichter: Die Kieler von Gutbucket versuchen, gegen die Mittags-Dröhnigkeit der Anwesenden anzuspielen. Auf den größten Bühnen, der "True Metal Stage" und "Black Stage", wechseln sich vor allem alte Helden des Genres ab. Motörhead haben - da sind sich die Fans einig - bereits am Vortag ein klasse Konzert gespielt, die Böhsen Onkelz ihre Abschiedstournee eingeläutet. Im Pressebereich gibt Saxon-Frontmann Biff Byford gutgelaunt der internationalen Presse Interviews, trinkt Cola Light, fragt nach Telefonnummern weiblicher Mitarbeiter und präsentiert Hörproben des neuen Albums Lionheart, während auf den Bühnen das metallische Geschehen seine nächsten Highlights erfährt.
Zur Überraschung vieler ist es DIO, der Ex-Rainbow Frontmann, der die Performance des Tages liefert. Ein Relikt aus den 70ern/80ern, spielt der kleine Mann mit der großen Stimme alle Klassiker - von Rainbow In The Dark über Holy Diver bis Man On The Silver Mountain. Dass Ronnie James Dio ein neues Album namens Master Of The Moon im Gepäck hat und daraus ebenfalls einen Song spielt, stört da schon fast bei der Fülle des Backkatalogs. Es ist unglaublich, wie textsicher die Menge Gassenhauer des Hard Rock wie King Of Rock'n'Roll intoniert bis zu "Dio! Dio!"-Skandierungen, die dem Sänger rührende Dankbarkeitsgesten entlocken.
Im Anschluss wüten die Thrash-Metal Koryphäen Destruction, dann steht die vermeintliche Sensation an: Doro Pesch und ihre Warlock-Besetzung von 1986, speziell fürs Wacken Open Air zusammengetrommelt und begleitet von Orchester und "special guests". So wurde Ex-Iron Maiden-Frontmann Blaze Bailey eingeflogen, der mit Doro The Trooper in die Membran zwingt, doch Warlock-Klassiker wie Fear Of The Dark oder All We Are zeugen gerade im orchestralen Pomp von Kompositionsschwächen, weshalb eingefleischte Metaller den Standort vor der True Metal Stage aufgeben und zu Eläkeläiset ins Partyzelt abwandern.
Der nächste Tag beginnt mit - Sonne! Teile des Geländes ersticken im Staub, während es von diversen Bühnen ab Mittag metallisch kracht, was an Schnittstellen für rauschende Kakophonie sorgt. Erfrischung bietet der "Prince Denmark Body Wash", wo man sich in einer Art Waschanlage den Dreck der letzten zwei Tage abspülen und durchatmen kann. Was Letzteres angeht, hat man im "Metal Market" keine Chance: Der Sauerstoffgehalt tendiert gegen Null, egal, ob man in Platten wühlt oder nebenan ins jugendliche Gejohle taucht, wo schlechte Stripperinnen zu AC/DC-Medleys tanzen. Also zurück zu den Bühnen. Dort verblüffen Bal-Sagoth mit purstem Black Metal, und der Besucher lernt wieder ein Stück von sich selbst kennen, weil er bereits zu dieser frühen Stunde selig die härtesten Riffs der Welt genießt.
Durch die Bänke des Biergartens führt der Weg zur "Jim Beam Stage", wo mehr oder weniger betrunkene Festivalbesucher aus aller Herren Länder beim "Metal Karaoke" gesanglich die Hosen runterlassen. Ob Metallica, Motörhead oder Great White - alle müssen herhalten, während man den Feierabend-Frontmann mimt. Ein großes Lob gebührt dem Jim-Beam-Conferencier, der, im Hintergrund unermüdlich aufblasbare Plastikgitarre spielend, die Recken unterstützt und selbst für die schlechteste Darbietung aufmunternde Worte hat.
Im V.I.P. Bereich ist man mittlerweile dazu übergegangen, aus Sicherheitsgründen auf den Ausschank von Cola und Limo zu verzichten, haben sich an jenen Zapfhähnen doch ganze Kohorten von Wespen eingefunden. Ein Blick zum großen Monitor, der zwischen den Bühnen Bilder des Spektakels liefert, zeigt, dass man fast den Auftritt der Mosh-Metal-Legende Anthrax verpasst hätte. Und der Heavy-Metal-Reigen kennt noch lange kein Ende: Mit Helloween, Saxon, Griffin und Satyricon stehen weitere Punkte im Pflichtprogramm, die von den Fans geschlossen abgefeiert werden, bis das 15. Wacken Open Air in den frühen Morgenstunden des Sonntags seinem Abschluss entgegen rockt. Was für eine Party!
Von Carsten Purfürst
Aus den Kieler Nachrichten vom 09.08.2004
http://kn-online.de/news/archiv/?id=1457280