Wacken Nachlese
Wacken ist zu Ende, wir sind zurück und für die meisten fängt der Alltag wieder an. So wie jedes Jahr, ein paar Tage, die zu Beginn nach ziemlich viel Zeit aussehen und dann (fast zu) schnell vorbei sind. Obwohl wir, denke ich, alle auch froh sind, wieder in bekannten Gefilden schlafen zu können, auf eine gewisse Weise ist Wacken auch anstrengend. Und dennoch, uns allen jede Minute wert. Nicht umsonst fährt der Kern des Berger Teams schon seit Jahren gemeinsam dorthin.
Wer kann, hat sich bereits die Karte für 2019 gekauft, in diesem Jahr erfolgt der Ausverkauf wieder einmal in atemberaubender Geschwindigkeit. Am Abend des ersten Tages nach Wacken sind bereits über 60000 Karten von 75000 verkauft. Der Rest wird vermutlich innerhalb der nächsten Tage ausverkauft sein.
Kritische Stimmen haben, wie die NOZ am Wackensamstag berichtet, Probleme mit dem Festival, im Tenor wird überwiegend Unzufriedenheit geschildert mit der Partyatmosphäre und insbesondere dem Auftritt von Otto am Freitag. Wacken solle sich auf seine Wurzeln besinnen und die „Partytouristen“ zuhause bleiben…
In der Tat. Es gibt sie, diese kritischen Stimmen. Und sicher, es gibt an Wacken Dinge, die auch ich überflüssig finde. Schlammcatchen zum Beispiel. Was hat das mit Musik zu tun, kann man fragen. Aber andererseits: Würde niemand hingehen, stände es gar nicht im Programm. Wacken ist ein mittlerweile wirtschaftlich orientiertes Unternehmen und bietet an, was nachgefragt wird.
Etwas mehr Gelassenheit und Toleranz ist denen zu raten, die sich mit dieser Art von Wacken und unwohl fühlen. Denn ohne eine wirtschaftlich solide Basis gäbe es das Festival in Wacken nicht mehr. Jeder Metalfan weiß, dass dieser Augenblich fast einmal da gewesen ist. Also: Wer Wacken will, muss auch einen gewissen Kommerz in Kauf nehmen!
Dennoch, Wacken unterscheidet sich von den anderen großen Festivals in Deutschland und Europa. In erster Linie durch die Treue der Fans, die zum Teil schon über Jahrzehnte jedes erste Augustwochenende nach Wacken fahren. Wacken ist zudem ein äußerst friedliches Zusammenkommen, wie die Polizei jedes Jahr aufs Neue bestätigt. Es gibt eine Wacken - Community, die auch zwischen den Festivals lebendig ist. Es gibt eine Wacken - Foundation, die sich auch zwischen den Terminen aktiv um nichtkommerzielle Projekte kümmert. Es gibt als festen Bestandteil des Festivals eine engagierte Nachwuchsförderung mit finanzieller, nicht gewinnorientierter Ausstattung.
In Wacken sind Beziehungen zwischen Einwohnern und Besuchern und zum Teil sogar Künstlern entstanden, die sich nicht auf die wenigen Festivaltage beschränken. Der durchschnittliche „Wiederholungstäter“ in Wacken identifiziert sich mit seinem Festival. Dass das bei anderen Events wie Deichbrand, Hurricane, Rock am Ring/am Park ähnlich ist, wage ich zu bezweifeln. Nichts gegen diese Musikevents, sie machen vielen Menschen Freude. Aber sie verfügen nicht über die Infrastruktur eines ganzen Dorfes, dass über die Tage des Festivals quasi als riesengroße Partymeile zu einem Teil des Ganzen wird.
Wer also Wacken nicht mehr für authentisch hält, muss sich entscheiden, was ihm wichtiger ist. Ein puristisches Musikfest oder eine tolle Riesenparty, auf der es, ja, das gestehe ich ein, nicht nur um Metal geht. Aber dafür geht es um Spaß, um Lebensfreude, um Toleranz, um Feiern über Grenzen hinweg, um Begegnungen und letztendlich natürlich auch ums Geldverdienen. Sehr unwahrscheinlich, dass die große Akzeptanz der Bürger und der Gemeinde Wacken so groß wäre, wenn es nicht für Einwohner und Kommune finanziell lohnenswerte Nebeneffekte gäbe. Was ihnen gegönnt sei, sie müssen dafür auch einiges auf sich nehmen…
Wacken hat aber nicht nur seine kommerzielle Seite, das sollte deutlich geworden sein. Es wirkt, in gewisser Weise zumindest, auch identitätsstiftend. Auf Einwohner und Besucher gleichermaßen. Nicht wenige Festivalbesucher kommen zu einem zweiten Urlaubsbesuch in die Region im Laufe der Zeit zwischen den Festivals. Im Gegensatz zu manch anderer Gemeinde hat Wacken infrastrukturell dazugewonnen, wie man von Festival zu Festival registrieren kann.
Und wer sich immer noch darüber echauffiert, dass Otto einen Auftritt auf dem WOA hatte, weil der ja nicht „Metal“ ist, dem sei geraten, sich die Bilder in den einschlägigen Foren anzusehen, die viele Fans gedreht haben. Die parallel zu Otto spielenden In Flames aus Göteborg haben seit vielen Jahren einen exzellenten Ruf bei Fans und Szene. Ihre Konzerte sind sehenswert. Aber der Auftritt von Otto hat dazu geführt, dass man auf dem Raum vor der „Harder“ reichlich Platz zum Stehen hatte, was man von dem Infield vor der „Louder“ auf keinen Fall sagen konnte.
Man mag sich streiten, ob sich dort 20000 oder 30000 Metalfans versammelt haben. Aber noch nie in der Geschichte von Wacken war der Raum vor der früheren Partystage bis auf den letzten Quadratmeter Standfläche ausgenutzt. Und textlich waren die Metaller extrem sicher beim Mitsingen. Noch nach dem Konzert bei nachfolgenden Acts und auf dem Zeltplatz ertönte immer wieder der „Friesenjung“.
Also, Hardcore-Metaller und Puristen, gönnt Wacken ein wenig Party und den Fans hin und wieder mal einen Auftritt von Otto oder anderen „metalfernen“ Künstlern, damit auch der echte Metal weiter seinen Platz auf dem WOA hat. Gönnt Hübner, Jensen und den anderen Beteiligten, dass sie etwas an Wacken verdienen können. Wacken ist und bleibt noch immer ein Metalfest und seine Fans sind Metalfans. Sonst wären sie wohl am Ring oder in Scheeßel oder anderswo, wo es auch gute Musik, aber weniger Identitätsstiftendes gibt. Und nicht das friedlichste Festival dieser Republik!!!
Hermann Brands
Wacken ist zu Ende, wir sind zurück und für die meisten fängt der Alltag wieder an. So wie jedes Jahr, ein paar Tage, die zu Beginn nach ziemlich viel Zeit aussehen und dann (fast zu) schnell vorbei sind. Obwohl wir, denke ich, alle auch froh sind, wieder in bekannten Gefilden schlafen zu können, auf eine gewisse Weise ist Wacken auch anstrengend. Und dennoch, uns allen jede Minute wert. Nicht umsonst fährt der Kern des Berger Teams schon seit Jahren gemeinsam dorthin.
Wer kann, hat sich bereits die Karte für 2019 gekauft, in diesem Jahr erfolgt der Ausverkauf wieder einmal in atemberaubender Geschwindigkeit. Am Abend des ersten Tages nach Wacken sind bereits über 60000 Karten von 75000 verkauft. Der Rest wird vermutlich innerhalb der nächsten Tage ausverkauft sein.
Kritische Stimmen haben, wie die NOZ am Wackensamstag berichtet, Probleme mit dem Festival, im Tenor wird überwiegend Unzufriedenheit geschildert mit der Partyatmosphäre und insbesondere dem Auftritt von Otto am Freitag. Wacken solle sich auf seine Wurzeln besinnen und die „Partytouristen“ zuhause bleiben…
In der Tat. Es gibt sie, diese kritischen Stimmen. Und sicher, es gibt an Wacken Dinge, die auch ich überflüssig finde. Schlammcatchen zum Beispiel. Was hat das mit Musik zu tun, kann man fragen. Aber andererseits: Würde niemand hingehen, stände es gar nicht im Programm. Wacken ist ein mittlerweile wirtschaftlich orientiertes Unternehmen und bietet an, was nachgefragt wird.
Etwas mehr Gelassenheit und Toleranz ist denen zu raten, die sich mit dieser Art von Wacken und unwohl fühlen. Denn ohne eine wirtschaftlich solide Basis gäbe es das Festival in Wacken nicht mehr. Jeder Metalfan weiß, dass dieser Augenblich fast einmal da gewesen ist. Also: Wer Wacken will, muss auch einen gewissen Kommerz in Kauf nehmen!
Dennoch, Wacken unterscheidet sich von den anderen großen Festivals in Deutschland und Europa. In erster Linie durch die Treue der Fans, die zum Teil schon über Jahrzehnte jedes erste Augustwochenende nach Wacken fahren. Wacken ist zudem ein äußerst friedliches Zusammenkommen, wie die Polizei jedes Jahr aufs Neue bestätigt. Es gibt eine Wacken - Community, die auch zwischen den Festivals lebendig ist. Es gibt eine Wacken - Foundation, die sich auch zwischen den Terminen aktiv um nichtkommerzielle Projekte kümmert. Es gibt als festen Bestandteil des Festivals eine engagierte Nachwuchsförderung mit finanzieller, nicht gewinnorientierter Ausstattung.
In Wacken sind Beziehungen zwischen Einwohnern und Besuchern und zum Teil sogar Künstlern entstanden, die sich nicht auf die wenigen Festivaltage beschränken. Der durchschnittliche „Wiederholungstäter“ in Wacken identifiziert sich mit seinem Festival. Dass das bei anderen Events wie Deichbrand, Hurricane, Rock am Ring/am Park ähnlich ist, wage ich zu bezweifeln. Nichts gegen diese Musikevents, sie machen vielen Menschen Freude. Aber sie verfügen nicht über die Infrastruktur eines ganzen Dorfes, dass über die Tage des Festivals quasi als riesengroße Partymeile zu einem Teil des Ganzen wird.
Wer also Wacken nicht mehr für authentisch hält, muss sich entscheiden, was ihm wichtiger ist. Ein puristisches Musikfest oder eine tolle Riesenparty, auf der es, ja, das gestehe ich ein, nicht nur um Metal geht. Aber dafür geht es um Spaß, um Lebensfreude, um Toleranz, um Feiern über Grenzen hinweg, um Begegnungen und letztendlich natürlich auch ums Geldverdienen. Sehr unwahrscheinlich, dass die große Akzeptanz der Bürger und der Gemeinde Wacken so groß wäre, wenn es nicht für Einwohner und Kommune finanziell lohnenswerte Nebeneffekte gäbe. Was ihnen gegönnt sei, sie müssen dafür auch einiges auf sich nehmen…
Wacken hat aber nicht nur seine kommerzielle Seite, das sollte deutlich geworden sein. Es wirkt, in gewisser Weise zumindest, auch identitätsstiftend. Auf Einwohner und Besucher gleichermaßen. Nicht wenige Festivalbesucher kommen zu einem zweiten Urlaubsbesuch in die Region im Laufe der Zeit zwischen den Festivals. Im Gegensatz zu manch anderer Gemeinde hat Wacken infrastrukturell dazugewonnen, wie man von Festival zu Festival registrieren kann.
Und wer sich immer noch darüber echauffiert, dass Otto einen Auftritt auf dem WOA hatte, weil der ja nicht „Metal“ ist, dem sei geraten, sich die Bilder in den einschlägigen Foren anzusehen, die viele Fans gedreht haben. Die parallel zu Otto spielenden In Flames aus Göteborg haben seit vielen Jahren einen exzellenten Ruf bei Fans und Szene. Ihre Konzerte sind sehenswert. Aber der Auftritt von Otto hat dazu geführt, dass man auf dem Raum vor der „Harder“ reichlich Platz zum Stehen hatte, was man von dem Infield vor der „Louder“ auf keinen Fall sagen konnte.
Man mag sich streiten, ob sich dort 20000 oder 30000 Metalfans versammelt haben. Aber noch nie in der Geschichte von Wacken war der Raum vor der früheren Partystage bis auf den letzten Quadratmeter Standfläche ausgenutzt. Und textlich waren die Metaller extrem sicher beim Mitsingen. Noch nach dem Konzert bei nachfolgenden Acts und auf dem Zeltplatz ertönte immer wieder der „Friesenjung“.
Also, Hardcore-Metaller und Puristen, gönnt Wacken ein wenig Party und den Fans hin und wieder mal einen Auftritt von Otto oder anderen „metalfernen“ Künstlern, damit auch der echte Metal weiter seinen Platz auf dem WOA hat. Gönnt Hübner, Jensen und den anderen Beteiligten, dass sie etwas an Wacken verdienen können. Wacken ist und bleibt noch immer ein Metalfest und seine Fans sind Metalfans. Sonst wären sie wohl am Ring oder in Scheeßel oder anderswo, wo es auch gute Musik, aber weniger Identitätsstiftendes gibt. Und nicht das friedlichste Festival dieser Republik!!!
Hermann Brands