NPD/DVU
Gemeinsame Liste könnte an Eitelkeiten scheitern
Von Yassin Musharbash
Die beiden rechtsextremen Parteien DVU und NPD haben angekündigt, bei der Bundestagswahl 2006 gemeinsam anzutreten. Doch das ist schwieriger, als es den Rechtsextremen lieb ist. Die einfachste Option, die Gründung einer neuen Partei, schloss die NPD aus. Nun muss eine Partei der anderen den Vortritt lassen.
DPA
Neonazis mit Flagge: Verstärkte Kooperation angekündigt
Berlin - "Eine neue Partei zu gründen, ist keine Option", sagte Klaus Beier, der Pressesprecher der NPD, heute gegenüber SPIEGEL ONLINE. Diese Entscheidung sei das Ergebnis eines Treffens von NPD-Chef Udo Voigt mit dem Vorsitzenden der ebenfalls rechtsextremen DVU, Gerhard Frey.
Damit steht fest, dass den beiden Rechtsparteien nur noch eine Option offen steht, um bei der Bundestagswahl 2006 - wie angekündigt - gemeinsam anzutreten: Eine der beiden Parteien muss der anderen den Vortritt lassen und ihre Kandidaten unter dem Listennamen der Verbündeten zur Wahl stellen.
NPD-Sprecher Beier bestätigte diesen Sachverhalt heute gegenüber SPIEGEL ONLINE. Welche der beiden Parteien 2006 auf dem Wahlzettel stehen werde, sei allerdings noch unklar. Diese Entscheidung werde nun zwischen den beiden Parteien verhandelt. Bei der DVU interpretiert man das gestrige Strategietreffen dagegen ganz anders. DVU-Sprecher Bernd Dröse sagte SPIEGEL ONLINE, ob eine der beiden Parteien der anderen bei der Bundestagswahl den Vortritt lassen werde, sei "noch gar nicht raus".
Berauscht von bisherigen Erfolgen
Einig sind sich NPD und DVU hingegen, dass bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen im kommenden Jahr jeweils nur eine Partei antritt, um sich nicht gegenseitig Konkurrenz zu machen. "Auf absehbare Zeit wird dies das bevorzugte Modell sein", erklärte DVU-Sprecher Dröge. Je nach geltendem Wahlrecht werde "man sich etwas basteln", so Dröge weiter. Die Parteichefs Voigt und Frey würden dieses Konzept "demnächst den Vorständen von DVU und NPD zur Abstimmung vorlegen", hieß es ergänzend in einer Pressemitteilung der DVU.
Die Idee, auch 2006 bei der Bundestagswahl mit einer gemeinsamen Liste anzutreten, hatten NPD und DVU unmittelbar nach ihren Wahlerfolgen im vergangenen Monat ventiliert - möglicherweise in Unkenntnis des Bundeswahlgesetzes. Denn um in den Bundestag einzuziehen, braucht eine Partei fünf Prozent der Zweitstimmen oder drei Direktmandate. Eine Listenverbindung zweier kleiner Parteien, die nur in der Addition, aber nicht jede für sich über fünf Prozent kommen, kann diesen Grundsatz nicht aushebeln. NPD und DVU brauchen also auch bei einer Listenverbindung jeweils fünf Prozent der Zweitstimmen. Auch eine regionale Aufteilung der beiden Kleinparteien ist nicht möglich. CDU und CSU können nur nach diesem Prinzip verfahren, weil die CSU regelmäßig auch auf das Bundesgebiet gerechnet über fünf Prozent einfährt und zudem ohne Probleme drei Direktmandate gewinnt.
In ihren Überlegungen hatten sich NPD und DVU offenbar verfrüht von ihren Wahlerfolgen im vergangenen Monat berauschen lassen. Bei den parallel abgehaltenen Landtagswahlen in Sachen und Brandenburg hatten beide Parteien den Einzug in die Parlamente geschafft. Die NPD kam im Freistaat auf über 9 Prozent der Stimmen; der DVU gelang mit knapp über 6 Prozent zum zweiten Mal in Folge der Sprung über die 5-Prozent-Hürde in Brandenburg. Beide Parteien hatten sich schon im Vorfeld geeinigt, in den beiden Ländern nicht gegeneinander anzutreten und einander Stimmen abzunehmen. Noch am Wahlabend hatten sie eine verstärkte Kooperation angekündigt.
Militante in der Parteispitze
Doch ganz so einfach, wie es in den vollmundigen Verkündigungen klang, wird dieses Zusammengehen der beiden Rechtsparteien wohl nicht werden. Unter welchem der beiden Namen die Rechten antreten werden, ist schließlich für NPD wie DVU eine Prestigefrage. Bislang sind ähnliche Versuche einer gemeinsamen Listenbildung stets an solcherlei Eitelkeiten gescheitert. Schwierigkeiten dürften sich nach Experten-Einschätzung zudem daraus ergeben, dass beide Rechtsparteien sich, was ihre Mitglieder und Organisation angeht, grundsätzlich unterscheiden.
Die DVU sei "radikal auf die in München sitzende Parteiführung und den Vorsitzenden Frey fixiert", während die NPD die selbständigeren, aktiveren Mitglieder habe, heißt es beim Verfassungsschutz Brandenburg. Die Nationaldemokraten seien zudem unverhohlener rassistisch als die DVU. Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangt auch der sächsische Verfassungsschutz: "Die NPD ist in der Agitation extremer als die DVU ausgerichtet", sagte ein Sprecher zu SPIEGEL ONLINE. Innerhalb der DVU seien ultrarechte Positionen, die in der NPD kursieren und sich in geistiger Nähe zum Neonazi-Milieu ausdrücken, einigen Mitgliedern suspekt. Kompatibel seien beide Parteien dagegen, was ihren Geschichtsrevisionismus und ihren verharmlosenden Blick auf das "Dritte Reich" und Deutschlands Nazi-Vergangenheit angehe, heißt es übereinstimmend.
Bei der NPD brach dieser geschichtsblinde Blick erst kürzlich wieder durch: In einem Interview mit einer Zeitung aus dem rechten Spektrum bezeichnete NPD-Chef Voigt Hitler als "einen großen deutschen Staatsmann". Er fügte hinzu, dass die Bundesrepublik Deutschland ein "illegitimes System" sei, das es "abzuwickeln" gelte - "durch revolutionäre Veränderung". Die Staatsanwaltschaft Berlin prüft seitdem, ob sie Anklage erheben kann.
Zudem kündigten die Rechtsextremisten der NPD an, dass zwei militante Neonazis, Thomas Wulff und Thorsten Heise, auf dem Bundesparteitag Ende Oktober für den Vorstand kandidieren werden.