In Kiel kommt eine Pferdeausbilderin wegen angeblicher Tierquälerei vor Gericht.
Christine Wels ist selbst Dressur-Weltcup-Turniere geritten, und sie hat als Trainerin ihre Tochter in die deutsche Spitzenklasse geführt. Einige Pferde hat die Frau aus Norderstedt bei Hamburg so geschliffen, dass sie später bei Olympischen Spielen antraten. Und sie hat Dutzende junger Nachwuchspferde preiswert gekauft, ausgebildet - und mit hohem Gewinn weiterverkauft.
Christine Wels weiß also ziemlich genau, wie man die vierbeinigen Sportgeräte behandelt, um sie erfolgreich und begehrenswert zu machen. Womöglich wird ihr dies nun zum Verhängnis.
In zwei Wochen beginnt vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Kiel der Prozess gegen die 60-jährige Dressurlehrerin. Sie wird beschuldigt, in 15 Fällen einem "Wirbeltier aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden" zugefügt zu haben.
Bei ihrer Ausbildung soll Christine Wels ihre Pferde mit der Reitpeitsche "grundlos und sehr stark" bearbeitet haben, sie soll Rädchensporen mit aller Kraft in den Bauch der Tiere gerammt haben. Die Angeklagte streitet das ab.
Außerdem wird der Ehefrau des verstorbenen Meistertrainers Wilfried Wels vorgeworfen, die Pferde so eng an die Kandare genommen zu haben, "dass der Kopf fast auf der Brust auflag".
Dem Fall Wels messen Experten, die mit dem Thema Tierquälerei im Pferdestall befasst sind, grundsätzliche Bedeutung bei. Denn die Kieler Richter werden auch darüber zu entscheiden haben, was man Pferden antun darf, um sie als Sportkamerad bei internationalen Wettkämpfen an den Start zu bringen - und welche Methoden eben nicht mehr den Bestimmungen des Tierschutzes entsprechen.
Natürlich nehme sie die Pferde schon mal hart ran, sagt Christine Wels, "aber wer das Tierquälerei nennt, der versteht nichts von Hochleistungssport". Gerade die hochtalentierten, oft sehr schwierigen Spitzenpferde müssten lernen "anzuerkennen, wer der Boss ist".
Die Ausbilderin wird in dieser Einschätzung bestärkt durch den Sachverständigen Klaus Hasselfeldt, der sich die von Wels bearbeiteten Pferde und auch Trainingsvideos angeschaut hat. Ihre Ausbildungsmethoden, resümiert der Pferdewirtschaftsmeister, lägen teils zwar "außerhalb der Norm", er könne aber keine "tierquälerischen Handlungen" entdecken.
Auch das "tiefe Einstellen" des Kopfes sei durchaus legitim. Vor drei Jahren hatte die niederländische Olympiasiegerin Anky van Grunsven wegen ihres Faibles für diese sogenannte Rollkur schon einmal eine hitzige Debatte unter deutschen Pferdeliebhabern entfacht. Fachleute kamen in einem Workshop zu dem Ergebnis, dass Ausbilder keine "strukturellen Schäden" beim Tier anrichten, wenn sie den Kopf auf der Brust fixieren. Voraussetzung sei jedoch, dass der Reiter eine ausreichende Erfahrung mitbringe, und die könne man, so Gutachter Hasselfeldt, Christine Wels nach 30 Jahren Arbeit am Pferd durchaus unterstellen.
Wie sehr die Ansichten über den Umgang mit dem Sportkameraden Pferd indes auseinandergehen, belegt ein zweites Gutachten. Der Tierarzt Karl Blobel aus Ahrensburg bei Hamburg hat sich ebenfalls Videos angesehen. Im Gegensatz zu seinem Kollegen hat er dabei eine "maßlose Prügelei" entdeckt, die "höchstgradig tierschutzwidrig" sei, weil sie beim Pferd "hochgradige Leiden" hervorrufe. Dieses Training schade "dem Reitsport in höchstem Maße".
Christine Wels darf in Deutschland nach einem Amtsgerichtsbeschluss mit Pferden derzeit nicht arbeiten. Deshalb war sie unlängst in Dänemark tätig, wo sie prompt erneut heimlich gefilmt wurde. Solche Attacken gegen seine Mandantin, sagt ihr Berliner Anwalt Andreas Schulz, seien "eine moderne Form der Hexenjagd".
Christine Wels behauptet, die in Medien aufgetauchten neuen Bilder über ihre angeblichen Foltermethoden seien manipuliert worden. Im Umfeld der Trainerin, sagt eine ihrer ehemaligen Kundinnen, "herrscht Neid und Missgunst". Viele Aktive der meist gutsituierten Reitergesellschaft ertrügen es nicht, "dass ihre Pferde weniger gut gehen als die von Frau Wels".