MORBIDES WISSEN Teil 32:
HMS, wie er von seinen Freunden, aber auch von manchen Feinden genannt wurde, war vor sechs bis sieben Jahren der mächtigste Industrieboss in Österreich. Ende 1998 war er bankrott, seine Millionenabfertigungen hatte er in seine marode Firma Novafrost Handels- und Beteiligungs-AG – ein Fass ohne Boden – investiert. Der Mann, der jahrelang die Geschicke der österreichischen Industrie maßgeblich beeinflusst hatte, war nicht imstande gewesen, seine private Firma erfolgreich zu führen.
Als die Reinemachfrau am Morgen des 20. November die Wohnung Börseplatz 6 im vierten Stock betrat, muss sie den Schock ihres Lebens erlitten haben. Ihr Arbeitgeber saß in Blue Jeans und rotem Pullover leicht vorn übergebeugt in einem Fauteuil, eine Winchester Mannlicher, Kaliber .243 – eine schwere Flinte mit verheerender Zerstörungskraft – gegen sein linkes Knie gelehnt. Wie die Rekonstruktion der Kriminalpolizei ergab, hatte Sekyra gegen 17:30 des Vortages den Lauf der Flinte in seinen Mund gesteckt und abgedrückt. Zuvor dürfte er den Lauf der Waffe noch mit Wasser gefüllt haben.
Die Folgen waren für einen Laien kaum vorstellbar. Als sich der Schuss löste, gingen an die fünf Tonnen Druck los, in Sekyras Kopf explodierte dabei eine Gasblase aus verbranntem Pulver mit einem Inhalt von schätzungsweise 50 Litern. Das hatte zur Folge, dass 80% der Kopfmasse im gesamten Raum als Spray von Fett- und Blutstropfen, Knochensplittern und Gewebefetzen fein verteilt wurde. Anschließend schossen noch einige Herzschläge lang meterlange Blutfontänen aus dem offenen Körper.
Sekyra hinterließ keinen Abschiedsbrief. Schon sein Vater hatte Selbstmord begangen, die Gründe dafür sind nicht bekannt. Sekyras Witwe wird keine Erbserklärung abgeben, denn ansonsten würde sie ihr restliches Leben lang die Schulden ihres verstorbenen Mannes abzahlen.