Also grundsätzlich muss man doch erstmal fragen, worum es bei der Preisdiskussion eigentlich geht. Augenscheinlich geht es ja erstmal um ein vollkommen idealistisches Thema - der wahre, echte Metalhead soll nicht abgezockt werden. So weit, so gut. Dazu gehören ja noch folgende Gedanken:
1.) Wieviele Tix werden denn wirklich schwarz vertickt? Ich habe oftmals den Eindruck (was beim Fussball nicht viel anders ist), dass es Leuten, die aus irgendwelchen Gründen kein Ticket bekommen haben, schon ausreicht, irgendeinen Dödel zu finden, der nen Ticket für 200 Tacken verkauft, um dann den Untergang des Abendlandes im Zusammenhang mit Betrug zu proklamieren. Hintergrund: dieses überteuerte Ticket da wäre doch ganz bestimmt meines gewesen, wenn dieser Sack mir dieses eine Ticket nicht vor der Nase weggekauft hätte.
Analoge Situation: nen Auto blockiert 2 Parkplätze. Grundgedanke: hätte der Arsch ordentlich geparkt, hätte ich jetzt einen Parkplatz und müsste nicht suchen. Totaler Irrtum. Es hätte dann einen Zeithorizont von sagen wir mal 10 Sekunden gegeben, in denen ich diesen Parkplatz bekommen hätte. Jeder andere Gedanke ist pure Augenwischerei und beinhaltet schon Ansätze von Masochismus.
2.) Wer ist "der wahre Metalhead"? Derjenige, der mit Kutte und Spandex total trve im Mai nen Ticket kaufen will? Oder der Jägermeister-ich-bin-total-trve-Ballermann-Typ, der sein Ticket schon am Wackensonntag um 0 Uhr ersteht? Wen will ich hier schützen, wer ist hier trve, wer ist der Metalhead? Oder derjenige, der sich vielleicht einfach Mühe gibt, an ne Karte zu kommen und gegebenenfalls in Kauf nimmt, die im Juli nochmal verticken zu müssen? Woran mache ich fest, wen ich hier schützen will? Warum sind es die wahren Metalheads, die sich im Nachgang beschweren, sie hätten kein Ticket bekommen? Warum sind sie es nicht? Man kann es nicht sagen. Ist es nicht reichlich pathetisch, sich dann immer nur den totalen einzig wahren Metaller vorzustellen, dem im Mai oder Juni auffällt, dass Wacken für ihn so essentiell ist, dass er genau jetzt noch nen Ticket braucht?
3.) Muss mir meine Gesellschaft immer den Hintern abputzen? Buch ich nen Flug und werde krank und hab keine Versicherung: Pech gehabt. Was sollen diese ganzen Stories mit gekünstelten Szenarien, warum ich auf einmal nicht auf ein Festival fahren kann? Und selbst wenn diese Situationen eintreffen, warum muss dann jemand anders mein Problem übernehmen? Ja, krank werden is scheiße, keine Frage. Keinen Urlaub kriegen auch. Aber keines dieser Probleme hat einen weder in der Vergangenheit noch aktuell daran gehindert, sein Ticket wieder loszuwerden. Ebay is bequem, von mir aus. Aber dann haben wir aber eher eine Bequemlichkeit als eine Problemdiskussion. Es gab NIE ein Problem, ein Ticket kurzfristig wieder loszuwerden. Ok, von mir aus fürn 10er weniger. Und? Weltuntergang? Alle Forderungen, die darauf basieren, dass meine persönlichen Umstände MIR Probleme machen bedeuten, dass ich mein Problem zum Problem anderer machen will. Wenn es dann wie auch immer ne Möglichkeit gibt, sein gekauftes Gut wieder loszuwerden oder gar einen Veranstalter, der das Ticket zurücknimmt - dann ist das ein BONUS und nicht andersrum ein Malus. Das heißt: ein Ticket nicht direkt zum Vorverkauf zu kaufen, weil ja nächstes Jahr irgendwas passieren könnte, ist schlicht MEINE Entscheidung. Es glaubt doch wirklich niemand, dass durch eine Personalisierung die Verfügbarkeit von Tickets im Mai signifikant steigen würde? Ganz im Gegenteil - fallen die Tickethändler raus, dann gibt es keine Großkontingente, die ggf. im Mai nochmal rausgehauen werden, sondern dann gibt es nur noch einzig und allein Tickets von krankgewordenen Leuten oder Leuten, die keinen Urlaub bekommen haben. Es kann mir niemand erzählen, dass sich dadurch die Ticketsituation für Kurzentschlossene signifikant ändern würde. Zudem - ich möchte echt nicht die Gesichter derjenigen sehen, die sich durch eine Änderung eine Besserung am Ticketmerkt erhoffen, die es jetzt schon nicht schaffen, sich direkt nach dem Festival nen Ticket zu kaufen, um dann festzustellen: et gibt im Mai oder Juni schlicht und ergreifend keine Tickets mehr. Sprich: wer es dann nicht schafft, sich rechtzeitig Tickets zu holen, wird dann in Zukunft ganz sicher nicht viel besser dastehen. Er hat dann die Chance auf ein preislich reguliertes Ticket, nur dass davon dann einfach weniger vorhanden sind (schlicht MEINE Spekulation ).
4.) Betrüger sind also die, die etwas einkaufen und teurer verkaufen? Leute, willkommen in unserem System. Tante Emma, Onkel Real, Frau Lidl und Herr Aldi machen den lieben langen Tag nix anderes. Wenns dort dann mal ein Sonderangebot gibt und andere sind schneller und ich krieg nix, dann hab ich Pech gehabt. Herr Aldi lacht mich aus, wenn ich personalisierte Brotbackmaschinen verlange, damit Klaus Günter vor mir nicht 10 kauft und die bei Ebay verhökert.
5.) Und nein, ich habe noch nie nen Ticket überteuert oder gar über Ebay verkauft. Letztes Jahr noch hatte ich Prüfungen, die erst einen Monat vorher terminiert wurden. Das Ticket ist hier übers Forum zum Originalpreis innerhalb einer halben Stunde weggewesen. Das ist aber MEIN Bier. Ich kaufe und verkaufe solche Tix nur zum Originalpreis oder gerne auch mit Abschlag . Aber das muss doch jeder selber wissen. Es ist grundlegender Bestandteil unseres gesamten Systems, dass Leute Sachen kaufen und verkaufen dürfen. Das ist weder Betrug noch Abzockerei, denn es zwingt mich niemand mit vorgehaltener Pistole, ein Ticket zu kaufen und nein, es ist auch kein lebensnotwendiges Gut, welches dort zum Verkauf steht.
Das größte Problem ist wie so oft die gefühlte Ungerechtigkeit, die in Leuten emporsteigt, die aus irgendwelchen Gründen noch kein Ticket haben und nun entweder die aufgerufene Kohle nicht bezahlen wollen oder nicht bezahlen können. So gut wie jeder fühlt sich dann in einer Unrechtssituation und sieht seine eigene Problematik derart weitreichend, dass nun für alle geltende Regelungen geschaffen werden müssten, damit diese eigene kleine Ungerechtigkeitswelt gefühlt behoben wird.
Ob dadurch die Unrechtssituation überhaupt behoben wird, bleibt in den meisten Fällen total außen vor. Zwar gibt es dann keine gefühlt überteuerten Tickets mehr, aber insgesamt gibt es dadurch auch nicht viel mehr Tickets. Aktuell hat man 4 Monate Zeit, sich sein Ticket zu sichern. Mit neuer Regelung - vielleicht 5? Dann gibts immer noch Leute, die sich noch nichts zusammengespart haben, man kann immer noch krank werden und die Leute, die sich mit 3-5 Karten nen Gewinn einspielen, werden die auch in Zukunft dann übertragen können.
Wie auch immer - mir persönlich geht nur das dauerhafte Genöhle auf den Senkel. Irgendwer findet immer irgendne Tante, die sich das Bein gebrochen hat und deswegen der Weltsegen schief hängt. Was ich damit sagen will:
Die ganze Diskussion ist eine rein idealistische Diskussion und eine Ungerechtigkeit entsteht relativ neutral betrachtet nur dann, wenn ich unser gesamtes System als ungerecht betrachte und zudem noch so frei bin, meine eigene Problemstellung meiner Umwelt aufs Auge zu drücken. Was in sozialen Notsituation durchaus menschlich und verständlich ist, finde ich hier in diesem Kontext teilweise einfach albern. Auch Umfragen und Foreneinträge werden immer diejenigen auch zu Tage fördern, die aus irgendwelchen Gründen eine Ungerechtigkeit spüren, obwohl genau dieses Schema in ihrem restlichen Leben kein Problem darstellt. Jeden Tag arbeite und lebe ich damit, will ich ne limited Edition Klampfe kaufen und die kost 4000,- Tacken, dann nöl ich auch nicht den Erbauer damit voll, dass er gefälligst den Weiterverkauf verbieten solle, sondern dann kann ich mir die Klampfe halt nicht kaufen.
Daher kann es im Grunde genommen nur rein an den Veranstaltern hängen, sich eine eigene Grundlage ihres Handelns aufzubauen. Wollt Ihr, dass jedes Eurer Tickets gleich teuer bleibt? Dann zieht es durch. Aber vergesst nicht: sollte das System einen Haken haben, dann benachteiligt ihr alle diejenigen, die sich schon immer über Jahre ihr Ticket so wie immer regulär gekauft haben und nun it Problemen konfrontiert werden, obwohl sie sich gekümmert haben.
Das heißt: stellt Ihr künstliche Hürden auf, dann benachteiligt ihr wahrscheinlich wesentlich mehr Eurer Besucher als es diejenigen sind, die sich bei Preiswucher am lautesten zu Wort melden, obwohl die Probleme in den allermeisten Fällen bei ihnen selber zu suchen sind.
Es ist Eure Entscheidung und beinhaltet, dass ein neues System nahezu perfekt sein MUSS. Denn es wird gerne vergessen: auf 1 unzufriedenen (und das schätze ich jetzt mal frei Schnauze) kommen mindestens 10 zufriedene Leute. Stellt ihr das System um, um den einen zufrieden zu stellen und benachteiligt damit die 10 anderen, dann kann das nicht Sinn der Sache sein.
Alternativ zum Beispiel:
- Vorverkauf 1. Welle direkt nach dem Festival fürs nächste Jahr
- vielleicht noch ne zweite Welle um Weihnachten
- 3. Welle im Mai, nochmal 5000 oder 10000 Tickets, dann aber maximale Abgabemenge 1 Ticket pro Bestellung und Besteller.
Vorteile:
- es kann bis Mai niemand behaupten, das Festival wäre ausverkauft (auch der Veranstalter nicht )
- Reseller müssten sich ein Kontingent im August anlegen und dieses wahrscheinlich bis Mai halten --> hohe Kapitalbindung und die Frage, ob dies lohnt
- Frühbucher können wie bisher kaufen
- Einzelpersonen können mit relativ hoher Planungssicherheit im Mai kaufen
- Kosten dieses Systems könnten geringer ausfallen als eine Personalisierung aller Tickets (Opportunitätskosten mal außen vor, die kann nur die Orga berechnen)
Nachteile:
- weniger Tickets im August
- die Nachfrage zwischen Juni und August nach Schwarzmarktkarten dürfte burstartig ansteigen
Trotzdem allen ein gelungenes Festival .
Gutgehn
sowas von sign!