Studiengebühren
Sie kommen, aber später
Ganz schnell sollte es mit der Einführung der Campus-Maut gehen. Aber die
unionsregierten Bundesländer trauen ihren eigenen Zeitplänen nicht mehr:
Baden-Württemberg verschiebt den Inkasso-Beginn auf 2007, auch Nordrhein-
Westfalen will sich mehr Zeit lassen als geplant.
Schon lange vor und auch noch kurz nach dem Studiengebühren-Urteil des
Bundesverfassungsgerichts im Januar schienen die unionsregierten Bundesländer
vor Tatendurst zu bersten. Vollmundig erweckten sie den Eindruck, dass ihre
Pläne für allgemeine Studiengebühren bereits griffbereit in der Schublade
lagern und schnell umgesetzt werden sollen - spätestens zum Wintersemester
2006/2007, vielleicht auch schon deutlich früher.
Doch ein Wissenschaftsminister nach dem anderen änderte verzagt den
Terminplan: Kommen werden die Gebühren sicher, aber später als zunächst
angekündigt. Zu schaffen machen den Ländern offenbar der hohe
Verwaltungsaufwand, die Ausfallbürgschaften für etwaige Kredite an Studenten
sowie die Sorge, dass allzu konkrete Gebührenmodelle potentielle Wähler
verschrecken könnten.
Baden-Württemberg, eine der wichtigsten Bastionen der Freunde einer
generellen Campus-Maut, hat am Dienstag ein Konzept als Basis für einen
Gesetzentwurf in den kommenden Wochen vorgestellt. Wie auch in anderen
unionsregierten Ländern sollen die Studiengebühren (zunächst) 500 Euro pro
Semester betragen. Eingeführt werden sollen sie bereits in diesem Jahr, die
Studenten aber erst ab Sommersemester 2007 tatsächlich zahlen. "Es geht nicht
um Schnelligkeit, sondern wir wollen diejenigen sein, die diesen
Paradigmenwechsel für unser Hochschulsystem so fundiert und so überzeugend
wie möglich vollziehen", begründete Wissenschaftsminister Peter Frankenberg
(CDU) die Verzögerung.
Frankenberg bezeichnete die Gebühren als "sehr moderaten Beitrag eines
Studierenden dafür, dass er später ein höheres Lebenseinkommen und ein
geringeres Arbeitsplatzrisiko als ein Nicht-Akademiker haben wird". Die
ersten Bescheide sollen die Studenten schon im September nächsten Jahres im
Briefkasten finden. Ein "nachlaufendes Modell" garantiere, dass niemand vom
Studieren abgehalten wird, so Frankenberg.
Dabei sollen die Hochschulen die Gebühren von den Studenten zwar zu jedem
Semesteranfang eintreiben. Das Konzept sieht jedoch vor, dass die Studenten
für die Zahlungen ein Darlehen aufnehmen können. Dazu sollen sie einen
Anspruch auf einen Kredit bei der Staatsbank Baden-Württembergs, der L-Bank,
erhalten.
Gebührenbefreiung für Härtefälle
Zurückzahlen müssen sie das Darlehen erst zwei Jahre nach dem Ende des
Studiums - sofern ihr Einkommen die Grenze von 2410 Euro überschreitet. Für
Bafög-Empfänger soll die Gesamtverschuldung aus Bafög und Studiengebühren bei
15.000 Euro gedeckelt werden.
Die Ausfallrisiken des Kredits soll nach den baden-württembergischen Plänen
ein Studienfonds tragen, den die Hochschulen in besonderen Fällen
finanzieren. Studenten, die Kinder erziehen, behindert oder chronisch krank
sind oder aus kinderreichen Familien stammen, können von den Gebühren befreit
werden. Der Gesetzentwurf des Wissenschaftsministeriums soll noch im
September vom Ministerrat zur Anhörung freigegeben werden.
Glaubt man Frankenberg, so steht das Gebührenaufkommen den Unis in voller
Höhe zur Verfügung, um zweckgebunden für Studium und Lehre verwendet zu
werden. "Bei der Festlegung der konkreten Maßnahmen müssen die Studierenden
angemessen beteiligt werden", so der Minister. "Mir geht es darum, dass die
Hochschulen und Berufsakademien durch diese Gelder die Qualität von Studium
und Lehre spürbar verbessern."
"Das ist kein Konzept, sondern Wunschdenken"
Von entscheidender Bedeutung sei, dass die staatliche Finanzierung der
Hochschulen nicht gekürzt werde - jedenfalls "nicht in Verbindung mit den
Gebühreneinnahmen", wie Frankenberg listig formulierte. Das müsse im
Zusammenhang der gesamten Hochschulfinanzierung vom Gesetzgeber geregelt
werden.
Gut möglich, dass in Baden-Württemberg trotzdem Etatkürzungen für die
Hochschulen durchgesetzt werden, dann eben ohne offiziellen Zusammenhang mit
der Campus-Maut. Davor warnen die Gebührengegner in allen Bundesländern, und
noch keine Landesregierung hat ein glaubwürdiges Modell vorgelegt, mit dem
sich neue Sparrunden nach der Gebühreneinführung verhindern ließen. Auch
Niedersachsen zum Beispiel behauptet, dass die Gebühreneinnahmen in vollem
Umfang an den Hochschulen bleiben - aber die müssen in den nächsten Jahren
reale Kürzungen hinnehmen.
So könnte es auch in Baden-Württemberg kommen, befürchtet das Aktionsbündnis
gegen Studiengebühren (ABS). "Herr Frankenberg bestätigt das indirekt: Auf
der einen Seite sagt er, Studiengebühren seien notwendig, da die öffentlichen
Haushalte begrenzt seien", so Sprecher Sascha Vogt. "Auf der anderen Seite
appelliert er an sein Parlament, den Hochschulen keine Mittel zu kürzen. Das
ist kein Konzept, das ist Wunschdenken." Der Plan laufe auf eine
Privatisierung der Bildungschancen hinaus.
Der Asta der Uni Stuttgart kündigte bereits Proteste an. So steht etwa unter
www.ichzahlenicht.de eine Boykott-Seite im Internet. Ein Ende der Aktionen
liegt laut Asta allein in den Händen des Ministers. "Erst wenn die
Studiengebühren-Pläne vom Tisch sind, hören wir auf mit dem Protest", so
Sprecher Henning Schürig.
In NRW Aufschub dank Vertrauensschutz
Ursprünglich wollte auch Nordrhein-Westfalen schon im Jahr 2006
Studiengebühren einführen. Doch am Wochenende räumte auch Innovationsminister
Andreas Pinkwart kleinlaut eine Verzögerung ein.
Man arbeite zwar mit Hochdruck an der Einführung der Campus-Maut, und einen
entsprechenden Gesetzentwurf wolle man noch in diesem Jahr ins Parlament
einbringen. Nach der Verabschiedung müsse den Studenten aber eine Frist von
einem Jahr gewährt werden. Grund dafür sei der sogenannte Vertrauensschutz.
Starttermin für die Gebühr - geplant ist weiterhin eine Summe von 500 Euro
pro Semester - sei dann Herbst 2007.
Erstsemester könnten jedoch eventuell schon früher zur Kasse gebeten werden,
kündigte Ministeriumssprecher Ralf-Michael Weimar an: "Hier besteht ja noch
kein Vertrauensschutz." Losgehen könne es in diesen Fällen doch schon im
Sommersemester 2006.
Die Gebührengegner freuen sich über die Verzögerungen. Rechtsanwalt Wilhelm
Achelpöhler, der das "Aktionsbündnis gegen Studiengebühren in NRW" berät,
sieht darin ein gutes Zeichen. Nun bliebe mehr Zeit, Klagen und Proteste zu
organisieren, sagte er der "Tageszeitung".
http://www.spiegel.de/unispiegel/geld/0,1518,druck-366946,00.html
http://www.spiegel.de/unispiegel/geld/0,1518,366946,00.html