Bericht zum Konzert aus der Hamburger Morgenpost:
Walküren und Wasserfälle
Die Klassikmetal-Band Nightwish gastierte in der Großen Freiheit
Der Saum des bodenlangen Abendkleides schleift durch den Staub der Reeperbahn, dem würdevollen Gang seiner blasshäutigen Besitzerin tut das keinen Abbruch. Die Edelfrau ist Fan und auf dem Weg zum Nightwish-Konzert in der Freiheit – da müssen weltliche Banalitäten zurückstehen.
Denn hier gehts um Metal – und der ist größer als das Leben. Erst recht, wenn dazu klassisch angehaucht gesungen wird. Um 22.40 Uhr fegt ein dramatisches Orchester-Intro den Pausenfüller-Bar-Jazz hinfort, die Menschen in der ausverkauften Freiheit toben. Rhythmische Sprechchöre aus hunderten Kehlen – ein Stadionkonzert im Club.
Die Finnen von Nightwish gelten als die Überflieger der Szene schlechthin. Tarja Turunen, die 25-jährige Grazie mit der klassischen Gesangsausbildung, zierte tief dekolletiert die Metal-Magazine, heute steht sie in Lack und Latex gewandet auf der Bühne – binnen Sekunden „Herr“ der Lage. Das Intro kippt ins erste Stück, über getragene Melodien schraubt sich die Sängerin in sternenklare Höhen.
Die liebreizende Ausstrahlung des sehnsüchtigen Burgfräuleins ist nur die eine Facette der Nightwish-Stimme, die andere folgt auf dem Fuße: Zum infernalischen Donnern der Doppel-Bassdrum dräuen Keyboard-Gewitter und Stakkato-Gitarren: Tarja Turunen bläst mit wallendem Busen und wehendem Haar zum Ritt der Walküren.
Auf dem Bühnenhintergrund ist ein Wasserfall angedeutet, davor gehts um große Gesten und große Gefühle – Theatralik, wie sie im Rock der späten 70er kultiviert wurde, überspitzt und mit altertümlicher Romantik.
Nach dem Gary Moore-Cover „Over The Hills And Far Away“ gibts das letzte Kapitel der Heldensaga. „Wishmaster“ heißt der Rauswerfer, der die Fans aus der Welt der Fabeln wieder in die Realität entlässt. Obwohl: Walküren gibts auf dem Kiez ja zu genüge …