Aus der FAZ und durchaus interessant...

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Karsten

W:O:A Metalgod
...finde ich diesen Artikel:

Irak-Politik
Danke, Schröder!
Von Susan Neiman




02. Juni 2004 Im nachhinein ist das Wort "abenteuerlich" weitaus untertrieben, eine sanfte Warnung, die Freunde untereinander ja aussprechen können. Schon letztes Jahr klang Schröders Ablehnung in vielen amerikanischen Ohren eher mild. In der "New York Times" hingegen wurde Bush mit dem verrückt gewordenen Schiffskapitän der USS Caine verglichen - ein kaum versteckter Aufruf zur Meuterei.

Im Irak ist fast alles schiefgegangen, was nur hätte schiefgehen können. Selbst die Festnahme des Tyrannen, die man - so Hans Magnus Enzensberger - immer als Freudenmoment erleben sollte, wirkt jetzt getrübt. Die Bilder der Demütigungen, die wir bei Saddams Festnahme gerade noch akzeptieren konnten, erinnern uns jetzt an die unerträglichen Demütigungen, die anderen Irakern zuteil wurden. Damit droht das Ganze in einen Schlamassel der Gewalt zu gelangen, der Saddams Greueltaten fast relativiert.

Das banale Böse
Schockierend ist nicht wirklich die moralische Verruchtheit. Spätestens seit Hannah Arendt wissen wir, wie einfache Menschen zum Bösen geraten. Kriegszustände bieten immer Rahmen, in denen normale Menschen zu Grausamkeiten bereit sind, die sie kaum als Grausamkeiten erkennen - Grund genug, den Krieg als allerletzte Handlungsmöglichkeit zu betrachten. Dieses Beispiel des banalen Bösen anhand einiger Soldaten dürfte uns also wenig überraschen, wohl aber die Mischung aus Arroganz und Dummheit, mit der die Bush-Regierung ihre Aufgaben anpackt.

Schiere Lust auf Rechthaberei hätte das Verteidigungsministerium dazu verleiten müssen, besondere Anweisungen zu geben. Wollte Rumsfeld nicht etwa beweisen, daß ein schneller, sauberer, freundlicher Krieg doch möglich sei? Und hätte er angesichts internationaler Widerstände seine Soldaten nicht gerade deshalb zu besonderer Rücksichtnahme auf die Bevölkerung anhalten müssen?

Verachtung für internationales Recht

Statt dessen mehren sich täglich die Zeichen, daß die Anweisung zur Folter von immer weiter oben kam - keine Überraschung bei einer Regierung, die ihre Verachtung für internationales Recht nie verborgen hat. Also selbst die instrumentelle Vernunft hat hier versagt, so wie auch nur jedes weltöffentlichkeitsbewußte, PR-erfahrene Ohr.

Die Berufung des Guantánamo-Chefs als Aufräumer für Abu Ghraib läßt Ahnungslosigkeit zu Kunst werden. Fehlte nur noch, daß die Regierung in diesem Augenblick versucht, ihren Soldaten mit Drohgebärden Straffreiheit vor dem Internationalen Gerichtshof zu verschaffen. Und die Tatsache, daß die Besatzungsmacht ihre Verzweiflung an ihrem einstigen Vorzeige-Iraker Chalebi ausläßt, zeigt uns eine Regierung, die in jeder Hinsicht überfordert ist.

Sein "Nein" zum Irak-Krieg

Wenn die Bundesregierung also recht hatte, wo bleibt hierzulande der Beifall? Rechthaberei, geschweige denn Schadenfreude wären fehl am Platz. Dafür ist die Lage zu bitter, zu ernst: Auch diejenigen, die vor dem Irak-Krieg warnten, werden von seinen Folgen bedroht. Deutschland könnte aber einen berechtigten Stolz auf seine Regierung empfinden als eine der wenigen, die früh den Mut hatten, Stellung zu beziehen.

Der Mythos, daß es sich dabei nicht um Mut, sondern um Opportunismus handelte, setzt sich in einem zynischen Zeitalter mühelos durch. Doch nicht erst Schröders "Nein" hat seine Umfragewerte verbessert, sondern die Tatsache, daß er bei der Dresdner Flutkatastrophe wie ein Kanzler wirkte, Stoiber dagegen wie ein hilfloser Oberschulmeister. Ob das allein gereicht hätte, die Wahlen zu gewinnen, werden wir nie erfahren.

Und dennoch wird Schröders Ablehnung des Irak-Kriegs als viel bedeutender angesehen, vor allem unter amerikanischen Meinungsträgern, die Deutschland als moralische Instanz gefeiert haben - zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte. "Sagt Schröder danke schön!" hörte ich oft in jenem Herbst, und: "Wenn die Europäer so weitermachen, dann könnten die uns retten."

Lob als Anbiederung

Hierzulande aber wird solcher Dank nicht ausgesprochen, und zwar aus zwei Gründen. Zum einen: Man geniert sich, eine Regierung, unter der man selber lebt, zu loben. Jeder Intellektuelle, der etwas auf sich hält, sieht sich als Kritiker der bestehenden Verhältnisse, und jedes Lob der Macht wird als Anbiederung empfunden. Den Mächtigen gegenüber nur die unangenehmen Wahrheiten auszusprechen dient wohl als Faustregel, doch hat diese - wie alle Faustregeln - ihre Grenzen: spätestens dann, wenn die Kritik so laut wird, daß das Kind mit dem Bade ausgeschüttet zu werden droht.

Aber ein einfacher Grund spielt wohl eine noch größere Rolle: Jede Regierung wird im Ausland nach ihrer Außenpolitik beurteilt, im Inland aber eben nur nach dem meist ökonomischen Kleinkram, der als Innenpolitik gilt. Nur in den größten Krisenzeiten neigen Menschen - ob in Boston oder Bremen - dazu zu überlegen, wie ihr Land von außen überhaupt wahrgenommen wird. Amerikaner, die in den Vereinigten Staaten wohnen, betrachten Bill Clintons Präsidentschaft als weitgehend gescheitert. Rechte haßten ihn als Repräsentanten der offenen Gesellschaft, die die sechziger Jahre mit sich gebracht hatten; Linke beschimpfen ihn als einen Liberalen, der nie in der Lage war, eine gerechte Sozialpolitik durchzufechten, sondern eher alle Prinzipien kompromittierte.

Da hat ein Land gelernt


Keine Gruppe von beiden aber bemerkte das symbolische Kapital, das Clinton für Amerika im Ausland anlegte. Denn er verkörperte jenen amerikanischen Traum, der auch intelligente Menschen fesseln kann: den Traum von einer Welt, in der jeder nur genug Intelligenz und Energie braucht, um von ärmsten Verhältnissen zum höchsten Amt zu gelangen. Mit seiner Wärme, Neugierde, Aufgeschlossenheit und Ungezwungenheit verkörperte Clinton alles, was man sich von der Neuen Welt erhoffte - eine Hoffnung, auf deren Grundlage man gar bereit war, von den Schattenseiten der amerikanischen Geschichte abzusehen.

Nur wenige Amerikaner merkten, wie sehr ihr Land von Clinton profitierte, denn von innen her gesehen zählten nur das Auf und Ab der kleinen Erfolge, die Kompromisse mit der Industrie, die Langeweile und die Enttäuschungen des politischen Alltags. So meinte man zum Schluß, die inhaltlichen Unterschiede zwischen Gore und Bush seien gering. Symbole werden am ehesten von weitem gesehen, und Kapital wird am ehesten dann vermißt, wenn es verbraucht ist.

Ein neues Deutschland-Bild

Alle Vergleiche sind ungenau. Doch stellt sich die Frage, ob den Deutschen bewußt ist, was die jetzige Regierung für Deutschland im Ausland vollbracht hat. Fischers Bemühungen im Nahen Osten und Schröders entschiedene Ablehnung des ungerechtfertigten Krieges sind nicht nur bekannt und geschätzt. Sie sind Ereignisse, die zu einem neuen Deutschland-Bild beitragen. Willy Brandts Kniefall war damals ein Anfang, doch nicht nur Deutschland sehnt sich nach Normalität.

Die Welt braucht ein Deutschland, das nicht nur seine Vergangenheit bereut, sondern aus ihr lernt. Die selbstbewußten und differenzierten deutschen Entscheidungen der letzten Jahren - vom Kosovo bis zum Irak - zeugen von einem erwachsenen Land, das gelernt hat, sowohl politisch als auch moralisch zu handeln.

Dabei wird es auch ein Vorbild für jene, die sich - wie in Israel oder Amerika - Deutschland vor kurzem noch lediglich als Heimat des Schreckens vorstellen konnten. Die Wandlung, die dabei stattfindet, ist keine Folge der Zeit, sondern eindeutiges Verdienst dieser Regierung. Es fragt sich nur, ob dieses Verdienst zu Hause erst dann geschätzt werden wird, wenn seine Urheber schon wieder entmachtet sind.

Susan Neiman, geboren in Atlanta (Georgia), ist Direktorin des Potsdamer Einstein Forums. In diesem Frühjahr erschien bei Suhrkamp ihr Buch "Das Böse denken".
 

DarthFreak

W:O:A Metalmaster
Original geschrieben von PsychicVeteran
Ein sehr interessanter Artikel, der einem wirklich zum Nachdenken bringt.

Ich habe in letzter Zeit einige FAZ-untypische Artikel gelesen und Frage mich langsam ob da ein Sinneswandel stattgefunden hat.


Gesinnungswechsel halte ich für unwahrscheinlich. Der Artikel ist gut, an einigen stellen stimme ich überein, an anderen nicht.

Aber eins muss ich zustimmen, gut, dass wir nicht in den Irakkrieg sind, sonst würden da unten jetzt unsere Jungs (und Mädels) sterben.

Eine "Abschaffung" Saddams wär jedoch sowieso nötig gewesen nur allerdings nicht in dieser Form
 

DarthFreak

W:O:A Metalmaster
Original geschrieben von ShizzoKrause
Sehr schöner Artikel :)

Wenn der Schröder doch blos auch ein innenpolitisch halbwegs vernünftiges Konzept auf die Beine stellen würde und die Deppen vonnen CDU dieses dann auch mal im Bundesrat durchkommen lassen würden.....

Ich sach jetzt mal... Wenn die SPD was vernünftiges macht, dann sacht auch die CDU nicht nein. Leider haben wir ja in beiden Parteien so ein großes Potential an Vollschmocks, dass es kein Wunder ist, dass wir so einen Reformstau haben.

Deswegen fand ich auch die Rede unseres neuen Bupräs sehr gut. Der hat nämlich ausgedrückt wie es ist. Anstatt rumzumosern, sollten alle in die Hände spucken. Mal von vorne machen.
 

Karsten

W:O:A Metalgod
Original geschrieben von DarthFreak
Deswegen fand ich auch die Rede unseres neuen Bupräs sehr gut. Der hat nämlich ausgedrückt wie es ist. Anstatt rumzumosern, sollten alle in die Hände spucken. Mal von vorne machen.
Ich finde es hat bisher noch keinen schlechteren Auftakt für ´ne Bundespräsidentschaft gegeben als die von Köhler. Wer ernsthaft Margret Thatcher als Vorbild hinstellt ist in meinen Augen von allen guten Geistern verlassen...
 

DarthFreak

W:O:A Metalmaster
Original geschrieben von mhb2116
Welche Form denn dann???


Ich mein nicht in dieser Cowboyform die Bush durchgezogen hat. Wenn man sieht was der Irak für einen super wirtschaftlichen Aufschwung hatte bevor der gute mit seinen Spielchen angefangen hat, kann man sich nur an den Kopf greifen. Genauso sein Einsatz von Giftwaffen gegen die Kurden...


Fändest du es gut, wenn die Alliierten Truppen nicht Deutschland von Hitler befreit hätten ? Der hat genauso seine eigenen Landsleute massenweise hingerichtet. Und ich will nicht wissen, was geworden wäre, wenn er weiter an der Macht geblieben wäre. Klar an manchen Stellen hinkt der Vergleich, aber du kriegst ungefähr die Richtung, oder?