Ich war gestern auf dem Roadburn Festival in Tilburg, mein dritter Tagesbesuch nach 2016 und 2022. Für ein Wochenende reicht es zeitlich nie und finanziell ist es auch alles andere als günstig. Der Samstag war für mich auch der beste Tag, wobei ich schon gerne „Sunbather in Full“ von Deafheaven am Donnerstag und den Secret Gig von Have a Nice Life am Freitag gesehen hätte, aber man kann nicht alles haben. Hinfahrt verlief ohne Vorkommnisse, Parkplatz im Parkhaus für 14 Euro Tagestarif ist auch in Ordnung. Bändchen geholt und ab gings. An den Locations hat sich im Vergleich zu letztem Jahr nicht viel geändert. Bei den kleinen Locations muss man manchmal früher da sein, um reinzukommen, aber selbst, wenn es nicht funktioniert, gibt es doch immer ne gute Alternative. Gegessen habe ich nichts, Proviant habe ich mitgebracht. Dementsprechend kann ich wenig zum Food Court sagen.
Pupil Slicer – Erste Band des Tages, miesester Sound des Tages. Da stimmte vor allem zu Beginn des Sets gar nichts. Klang einfach nur scheiße. Gegen Ende wurde es besser, aber war immer noch weit weg von einem guten Klang. Viel zu lauter Bass und Schlagzeug. Die Gitarren gingen unter. An sich ist der Mathcore Sound wirklich mitreißend und sie konnten mich trotzdem auch teilweise erreichen, aber es war schon ein ärgerlicher Start in den Tag. Generell war Sound ist dieser Location, The Engine Room, als einziger nicht gut. Naja, wird nicht das letzte Mal sein, dass ich die Band sehe und solange behalte ich den fantastischen Gig vom Arctangent letztes Jahr in Erinnerung.
KEN Mode – Der erste von einigen sehr guten Gigs an diesem Tag. Anstrengender Sound, aber es war klasse. Sound ist schwer einzuordnen. Irgendwo zwischen Noise Rock und Sludge, viele Tempowechsel, ziemliches Chaos. Zwischen kommt auch ein Saxophon zum Einsatz, was es nicht einfach macht, das Ganze zu verarbeiten. Meine Mitfahrer*innen und ich waren aber alle voll drin. Und der Sound in dieser Location war deutlich besser
Duma & Deafkids – Nur 20 Minuten reingeguckt, da ein angekündigtes Secret Set meinen Plan etwas durcheinandergeworfen hat. Es war interessant, aber anstrengend. Eine von den vielen Kollaborationen, die man so vielleicht nur auf dem Festival sieht und welche sicherlich ein Grund sind, warum das Roadburn so beliebt ist. Das Licht ist der großen Halle war gedämmt, in Rot gehalten. Auf der Bühne Perkussion Sounds, sehr langsame Aufbauten, viele Samples und ein ziemlich angepisst schreiender Sänger. Quasi unmöglich genretechnisch einzuordnen. War eine Erfahrung.
Nicole Dollanganger – Sollte eigentlich nur eine Show am Sonntag spielen. Nun gab sie sich aber in einem der kleineren Läden die Ehre. Reinkommen war erstaunlicherweise kein großes Problem. Erste Europa Show, davon erzähl ich noch meinen Kindern. Begleitet von zwei Dudes am Bass und Gitarre kam sie auf die Bühne. Ihr Gesang ist wirklich astrein, da kann sich niemand beschweren, richtig schöne Stimme. Was mich etwas gestört hat, war, dass Background Gesang vom Band kam. Das hätte sie nicht gebraucht. Glaube ohne das Ganze wäre es noch ne Ecke besser rübergekommen. Würde ihr aber solo auf jeden Fall nochmal eine Chance geben. War keinesfalls ein schlechter Gig.
Chat Pile – Ähnlich wie bei KEN Mode ist es auch hier ein wilder Mix aus Noise, Sludge, etwas Punk. Sicherlich nicht ganz so chaotisch wie KEN Mode, es geht gemächlicher zur Sache. Der Sänger ist dabei die Person, auf die sich alles konzentriert und auch, wenn es soundtechnisch sicherlich Bands an diesem Tag gab, die mir besser gefallen haben, muss ich sagen, dass der Sänger mit Abstand die lustigste Person war, die auf der Bühne stand. Die Ansagen waren durchweg unterhaltsam, keinesfalls gezwungen. Das hat Spaß gemacht.
Kathryn Joseph – Eine Dame am Keyboard. Generell sind Solokünstlerinnen auf diesem Festival stark vertreten. Feine Sache. Der Auftritt war für mich eher zur Überbrückung, aber es hat mich leider auch nicht wirklich mitgerissen. Außerdem waren die Crowd Pleasing Ansagen etwas too much.
High Vis – Endlich, endlich gesehen. Letztes Jahr Karten für Antwerpen gehabt, erste Festland Show, musste ich aufgrund von familiären Verpflichtungen abgeben. Start mit „0151“, man merkt direkt, dass das Hardcore Kid noch in dem Sänger steckt, wenn er wild auf der Bühne rumspringt. Der Sound war weit entfernt von perfekt, aber deutlich besser als bei Pupil Slicer. Die Songs kamen generell härter rüber als auf Platte. Bin echt nicht into Post-Punk, aber hier mach ich ne Ausnahme. Ich war auch sehr gespannt, wie die Crowd auf die eher ungewöhnliche Buchung reagiert und wurde positiv überrascht. Durchgehend offener Pit, viele Textsichere und ein Herr auf der Bühne, der sich irgendwann nicht mehr zurückhalten konnte und gestagedived ist. Es war ein klasse Gig mit meinem Highlight „Trauma Bond“. Hoffe, ich krieg es irgendwie hin, den Ieperfest Tag mit der Band mitzunehmen, um sie einmal vor einer Hardcore Crowd zu sehen.
Candy – Haben die „Heaven In Hell“ komplett gespielt, was aufgrund der verstärkten Industrial Einflüsse auch ganz gut auf die Roadburn Bühne passt. Bin eigentlich größerer Fan der „Candy Says“ und der „Good to Feel“, muss aber sagen, dass der Gig trotz riesiger Bühne und Absperrung der beste war, den ich bisher von der Band gesehen habe. Sound war top, die Samples kommen richtig krass und sorgen für noch mehr musikalisches Chaos als eh schon herrscht. Die Crowd war sicherlich etwas verwirrt, dass nach 25 Minuten auf einem 40 Minuten Slot schon Schluss war, aber was solls. Kurz, aber geil. Werden gleich in Essen nochmal ausgecheckt.
Backxwash – Einzige miese Überschneidung des Tages für mich mit Cave In, die sich meine Begleiter*innen angeguckt haben. Nach ihren Aussagen zu Folge habe ich die richtige Wahl getroffen. 45 Minuten ziemlicher Abriss in Form von Industrial Hip-Hop. Die Beats kamen sehr gefährlich und die Dame hatte die Crowd voll unter Kontrolle. Auch schön zu sehen, dass mittlerweile selbst Hip-Hop beim Roadburn funktioniert, wenn man bedenkt, wie eng dieses Festival mal an Stoner/Sluge gekuppelt war. Gefällt mir so auch deutlich besser. Ho99o9 dann gerne nächstes Jahr.
Giles Corey – Das Nebenprojekt von Dan Barrett von Have a Nice Life. Ging in Richtung Folk und Shoegaze. Er war Zentrum einer recht großen Band mit einem Jack Black Lookalike am Bass. Hat ne wirklich schöne Stimme. Es war schon cool, aber für die Uhrzeit mit den eher ruhigen Klängen ein kleiner Downer. Die sonst immer prall gefüllt Halle war recht leer. Könnte allerdings auch an den gleichzeitig spielenden Boy Harsher gelegen haben.
Show Me the Body – Letzter Act des Tages, gab vorher ziemlich Stress zwischen dem Lichttechniker und dem Sänger, bei dem der Sänger sich wie ein ziemliches Arschloch verhalten hat. Show war dann allerdings ziemlich geil. Noise meets Hardcore, viele Samples, der Sänger mit Banjo, komplettes Chaos auf der Bühne. Einen großen Pit gabs auch. Klasse Abschluss für mich. In zwei Wochen in Bochum nochmal.
Insgesamt war es glaube ich der beste meiner drei Roadburn Tagesbesuche, auch, wenn ich dort schon bessere Einzelsets gesehen habe. Gerne nächstes Jahr wieder. Eines Tagesausflug lohnt sich eigentlich immer.