Colamann3798 schrieb:
Ein Bißchen off-topic: Seit heute hängen bei uns neue CDU-Wahlplakate. Slogan: "Mehr Sicherheit statt falsche Toleranz!" Ganz toll ("falsche Toleranz" stammt wohl aus einer Rede von Rüttgers zum Wahlkampf in NRW). Da wähl ich den direkt, ich will endlich auch amerikanische Verhältnisse hier haben.
Oh, eines meiner Lieblingsthemen: Toleranz.
Wieder einer dieser Begriffe, der von der Politik so hochstilisert und als programmatisch festgesetzt wurde, dass niemand mehr genau weiß, was eigentlich damit gemeint ist. Genau so wie Solidarität
Gehen wir von der Etymologie aus, so sagt uns das Lateinische als Bedeutung: ertragen, erdulden. Und das soll Basis eines gesellschaftlichen Miteinander sein? Jemanden lediglich zu dulden, nicht mal dulden, das Wort ist noch härter: erdulden. Wie ein aufgedrungendes Übel, dem man hilflos gegenüber steht. Das ist nicht mehr fern von leiden - erleiden.
Es ist eine Angelegenheit die Ansicht, Haltung oder Gebärde eines anderen abzulehnen oder anzunehmen, jedoch sie zu ertragen, zu erdulden, was Leidenscharakter hat, bildet keine annehmbare Beziehung zwischen Menschen.
Auch wenn die Berufung auf eine Autorität das wohl schwächste Argument ist, so zeigt sich doch, dass sich der gemeine Menschenverstand dem zuträglicher erweist:
"Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein; sie muß zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen."
Das gibt uns Goethe zu bedenken. Was soll nun folgen aus dieser Provokation? Sie sagt uns vorallem, dass Toleranz nicht mit Meinungslosigkeit verwechselt werden soll. Warum soll etwas toleriert werden, wogegen sich doch eigentlich jede Faser des Seins sträubt. Dies wäre nicht nur beleidigend gegen dem Tolerierten, sondern gleichsam eine Lüge.
Es scheint als wäre Toleranz nichts weiter als ein konstruierter, leerer Begriff, gedacht für diejenigen, denen die Bildung einer Meinung schon zuviel ist und sich daher lieber auf ein Schlagwort berufen, mit dem sie allerseits ein nickendes(wenn auch in Wahrheit sinnentleertes) Zugeständnis bekommen, gleichsam einer Gemeinschaft von Meinungslosen.
Es stellt sich die Frage, was nun wird, wenn sich diese "vorübergehende Gesinnung" nicht zur "Anerkennung" entwickelt - es muss Ablehnung erfolgen. Ablehnung ist zunächst eine Haltung und somit zumindest schon einmal ehrliches Bekenntnis und kein Verstecken hinter einem Wort welches Toleranz genannt wurde. Aus Ablehnung muss kein Aktionismus erfolgen. Solange das Objekt der Ablehnung sich aufgrund eines Geschmacksurteils oder eines Glaubens konstituiert, gibt es keinen auf Vernunft beruhenden Grund deswegen in Disput zu geraten. Was darüber hinausgeht ist Gegenstand des Verstandes und kann nur aufgrund Unkenntnis oder Irrung zustande kommen und ist auf selbiger Ebene zu disputieren.