Rechtsextreme Jugendliche
Wie kann es soweit kommen?
Nicht erst seit den erschreckenden Ergebnissen der Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg habe ich mir immer wieder Gedanken darüber gemacht, was einen jungen Menschen dazu bewegt, sich rechtsradikalen Gruppen zugehörig zu fühlen oder auch "nur" rassistische Ansichten zu vertreten. Nun möchte ich versuchen, meine Überlegungen zu Papier zu bringen.
Nach meiner Erfahrung steht am Anfang der Fremdenfeindlichkeit oftmals ein Schlüsselereignis, welches den Betroffenden auf lange Zeit prägt und Vorurteile fördert, sei es weil er/sie selbst oder eine nahestehende Person Opfer von Gewalt durch eine ausländische Person wurde. Solche Erlebnisse ergänzen dann schon vorher erworbene Vorurteile, beispielweise aus der früheren Kindheit, in welcher die Person die oft nur durch sprachliche Defizite, mangelne Anpassung oder soziale Ausgrenzung hervorgerufenen schulischen Schwächen vieler ausländischer Schüler als generelles Defizit der Ausländer erfährt. Eventuelles kindliches Mitleid wird nun in Verachtung, oder je nach Intensität des Schlüsselereignisses in Hass umgewandelt.
Doch da diese Vorraussetzungen sicherlich auf einen Großteil der Jugendlichen zutreffen, muss etwas existieren, was den Ausbruch von Rassismus verhinder kann. Dies führt uns zu der wichtigsten Waffe gegen den Rechtextremismus, der Bildung.
Bildung spielt in der (geistigen) Abwehr von rechtsextremer und rassistischer Propaganda in vielerlei Hinsicht eine entscheidende Rolle. Manipulative und demagogische Texte und Reden würden ihren Zweck verlieren, wenn jeder sie als eben solche erkennen könnte. Dies setzt allerdings eine gute Sprachkenntnis sowie eine gewisse Übung in der Analyse von Texten vorraus, was zwar beides theoretisch in der weiterführenden Schule gelehrt wird, jedoch oftmals vernachlässigt wird, gerade bei niedrigeren Schulformen als dem Gymnasium. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass bei uns am Heinrich-Heine-Gymnasium erst ab der 11. Stufe mit intensiver Textinterpretation begonnen wurde, so dass Schulabgänger mit der mittleren Reife oder dem Hauptschulabschluss nicht die Möglichkeiten haben, diese Fähigkeiten zu erwerben. Nicht erst die Pisa-Studie hat gezeigt, dass viele Schüler den Sinn eines Textes nicht eindeutig erfassen können, ihnen mangelt es also schon an einfacher Lesekompetenz. So ist die Wahrscheinlichkeit natürlich bedeutend größer, den Fallstricken von populistischen Verführern und Volksverhetzern zu erlegen.
Gerade weil sich die erste Art von Bildung, der Umgang mit der Sprache, als problematisch anzuwenden erweist, gewinnt die zweite Bildungsart an Bedeutung: Das historische und politische Wissen. Jeder Schüler müsste durch den Geschichts- und Politikunterricht nicht nur über ein gewisses Maß an historischem Wissen verfügen, um beispielsweise vor Verherrlichungen des dritten Reiches oder vor Lügen über bestimmte Volksgruppen gefeit zu sein. Genauso wichtig ist es, Verständnis für unser politisches System und für die Grundlagen der Demokratie zu entwickeln. Denn jeder, der die Demokratie und damit die Grundrechte (und somit in letzter Instanz auch die Menschlichkeit) als über allen stehendes Prinzip sieht - gewissermaßen als unangreifbares Naturrecht - , wird die menschenverachtenden Parolen von Rassisten ablehnen. Dies setzt natürlich neben der reinen Bildung auch sittliche Reife vorraus, die zwar nicht zwangsläufig, aber zumindest besser auf der Basis breiter Bildung entsteht.
Fatalerweise stellt mangelnde Bildung nicht nur einen gewichtigen Grund für die Entstehung des Rassismus dar, sondern fördert noch die Entwicklung eines weiteren Faktors, der Armut. Mangelnde (Schul- oder Aus-) Bildung ist in unsere heutigen Gesellschaft entscheidend für den wirtschaftlichen und sozialen Status. Denn wer unzufrieden ist oder sich gar in seiner wirtschaflichen Existenz bedroht sieht, wird sich einen Sündenbock suchen und sich damit ein Feindbild schaffen, um die Schuld an seiner Lage nicht bei sich selbst suchen zu müssen. Dieser pychologische Effekt wirkt sich nun einerseits in der oftmals zitierten Politikverdrossenheit aus, die im schlimmsten Falle zu einer Ablehnung der Demokratie (womit wir wieder bei der Bildung wären), in jeden Falle aber zu einer pauschalisierten Schuldzuweisung an den Staat / die Regierung führen wird. Andererseits kann aber auch schnell ein Feindbild wachsen, welches sich nun auf ethnische oder religiöse Minderheiten bezieht (beispielsweise "Ausländer nehmen uns die Arbeit weg" oder "Die raffgierigen kapitalistischen Juden sind schuld", wobei der historisch Gebildete diese Parole als obsoletes und völlig haltloses Voruteil - begründet in dem Zinsnahmeverbot für Christen - aus dem Mittelalter erkennen würde).
Als Konsequenz aus den Faktoren mangelnde Bildung und Armut schließt sich nun die nächste Ursache an, nämlich die Perspektivlosigkeit. Hierbei kann die Aufnahme in eine rechtsextreme Gruppe oder auch nur die gemeinsame Auslebung einer Ideologie oder Weltanschauung einiger Weniger eine scheinbar neue Perspektive, ja gerade zu einen Lebensinhalt geben. Hiebei spielen "Wir-Gefühl", Uniformisierung und Massenbegeisterung eine wichtige Rolle. Die bewusste Ausgrenzung aus der "normalen" Gesellschaft wird nun zum Selbstzweck und Lebensinhalt. Beschäftigung mit übertriebenen Idealen oder romantischen Vorstellungen von einem besseren Leben oder besseren Menschen (in rechtsextremen Kreisen wäre hier vor allem die übersteigerte Germanenverehrung zu nennen, die im übrigen durch geschichtliche Kenntnisse wiederum ihrer Grundlage entzogen würde, da es niemals ein einheitliches Germanentum gegeben hat) führt dann schließlich gewissermaßen zum Endpunkt der Rassismus-Entwicklung: Dem Überlegenheitsgefühl des eigenen Volkes, der eigenen Weltanschauung etc. über andere. Ist ersteinmal dieser letzte Schritt getan, so hat es selbst der nachträgliche Erwerb von Bildung schwer, gegen solche tief festgesetzten Ideologien anzukämpfen, da der Betroffene nun nicht mehr seine Meinung ändern will, weil er sonst eine vermeintliche Stütze in seinem Leben zu verlieren glaubt.
Natürlich stellen diese Überlegungen nicht den Anspruch, vollständig zu sein, Anmerkungen und Ergänzungen sind ausdrücklich erwünscht.
Wie kann es soweit kommen?
Nicht erst seit den erschreckenden Ergebnissen der Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg habe ich mir immer wieder Gedanken darüber gemacht, was einen jungen Menschen dazu bewegt, sich rechtsradikalen Gruppen zugehörig zu fühlen oder auch "nur" rassistische Ansichten zu vertreten. Nun möchte ich versuchen, meine Überlegungen zu Papier zu bringen.
Nach meiner Erfahrung steht am Anfang der Fremdenfeindlichkeit oftmals ein Schlüsselereignis, welches den Betroffenden auf lange Zeit prägt und Vorurteile fördert, sei es weil er/sie selbst oder eine nahestehende Person Opfer von Gewalt durch eine ausländische Person wurde. Solche Erlebnisse ergänzen dann schon vorher erworbene Vorurteile, beispielweise aus der früheren Kindheit, in welcher die Person die oft nur durch sprachliche Defizite, mangelne Anpassung oder soziale Ausgrenzung hervorgerufenen schulischen Schwächen vieler ausländischer Schüler als generelles Defizit der Ausländer erfährt. Eventuelles kindliches Mitleid wird nun in Verachtung, oder je nach Intensität des Schlüsselereignisses in Hass umgewandelt.
Doch da diese Vorraussetzungen sicherlich auf einen Großteil der Jugendlichen zutreffen, muss etwas existieren, was den Ausbruch von Rassismus verhinder kann. Dies führt uns zu der wichtigsten Waffe gegen den Rechtextremismus, der Bildung.
Bildung spielt in der (geistigen) Abwehr von rechtsextremer und rassistischer Propaganda in vielerlei Hinsicht eine entscheidende Rolle. Manipulative und demagogische Texte und Reden würden ihren Zweck verlieren, wenn jeder sie als eben solche erkennen könnte. Dies setzt allerdings eine gute Sprachkenntnis sowie eine gewisse Übung in der Analyse von Texten vorraus, was zwar beides theoretisch in der weiterführenden Schule gelehrt wird, jedoch oftmals vernachlässigt wird, gerade bei niedrigeren Schulformen als dem Gymnasium. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass bei uns am Heinrich-Heine-Gymnasium erst ab der 11. Stufe mit intensiver Textinterpretation begonnen wurde, so dass Schulabgänger mit der mittleren Reife oder dem Hauptschulabschluss nicht die Möglichkeiten haben, diese Fähigkeiten zu erwerben. Nicht erst die Pisa-Studie hat gezeigt, dass viele Schüler den Sinn eines Textes nicht eindeutig erfassen können, ihnen mangelt es also schon an einfacher Lesekompetenz. So ist die Wahrscheinlichkeit natürlich bedeutend größer, den Fallstricken von populistischen Verführern und Volksverhetzern zu erlegen.
Gerade weil sich die erste Art von Bildung, der Umgang mit der Sprache, als problematisch anzuwenden erweist, gewinnt die zweite Bildungsart an Bedeutung: Das historische und politische Wissen. Jeder Schüler müsste durch den Geschichts- und Politikunterricht nicht nur über ein gewisses Maß an historischem Wissen verfügen, um beispielsweise vor Verherrlichungen des dritten Reiches oder vor Lügen über bestimmte Volksgruppen gefeit zu sein. Genauso wichtig ist es, Verständnis für unser politisches System und für die Grundlagen der Demokratie zu entwickeln. Denn jeder, der die Demokratie und damit die Grundrechte (und somit in letzter Instanz auch die Menschlichkeit) als über allen stehendes Prinzip sieht - gewissermaßen als unangreifbares Naturrecht - , wird die menschenverachtenden Parolen von Rassisten ablehnen. Dies setzt natürlich neben der reinen Bildung auch sittliche Reife vorraus, die zwar nicht zwangsläufig, aber zumindest besser auf der Basis breiter Bildung entsteht.
Fatalerweise stellt mangelnde Bildung nicht nur einen gewichtigen Grund für die Entstehung des Rassismus dar, sondern fördert noch die Entwicklung eines weiteren Faktors, der Armut. Mangelnde (Schul- oder Aus-) Bildung ist in unsere heutigen Gesellschaft entscheidend für den wirtschaftlichen und sozialen Status. Denn wer unzufrieden ist oder sich gar in seiner wirtschaflichen Existenz bedroht sieht, wird sich einen Sündenbock suchen und sich damit ein Feindbild schaffen, um die Schuld an seiner Lage nicht bei sich selbst suchen zu müssen. Dieser pychologische Effekt wirkt sich nun einerseits in der oftmals zitierten Politikverdrossenheit aus, die im schlimmsten Falle zu einer Ablehnung der Demokratie (womit wir wieder bei der Bildung wären), in jeden Falle aber zu einer pauschalisierten Schuldzuweisung an den Staat / die Regierung führen wird. Andererseits kann aber auch schnell ein Feindbild wachsen, welches sich nun auf ethnische oder religiöse Minderheiten bezieht (beispielsweise "Ausländer nehmen uns die Arbeit weg" oder "Die raffgierigen kapitalistischen Juden sind schuld", wobei der historisch Gebildete diese Parole als obsoletes und völlig haltloses Voruteil - begründet in dem Zinsnahmeverbot für Christen - aus dem Mittelalter erkennen würde).
Als Konsequenz aus den Faktoren mangelnde Bildung und Armut schließt sich nun die nächste Ursache an, nämlich die Perspektivlosigkeit. Hierbei kann die Aufnahme in eine rechtsextreme Gruppe oder auch nur die gemeinsame Auslebung einer Ideologie oder Weltanschauung einiger Weniger eine scheinbar neue Perspektive, ja gerade zu einen Lebensinhalt geben. Hiebei spielen "Wir-Gefühl", Uniformisierung und Massenbegeisterung eine wichtige Rolle. Die bewusste Ausgrenzung aus der "normalen" Gesellschaft wird nun zum Selbstzweck und Lebensinhalt. Beschäftigung mit übertriebenen Idealen oder romantischen Vorstellungen von einem besseren Leben oder besseren Menschen (in rechtsextremen Kreisen wäre hier vor allem die übersteigerte Germanenverehrung zu nennen, die im übrigen durch geschichtliche Kenntnisse wiederum ihrer Grundlage entzogen würde, da es niemals ein einheitliches Germanentum gegeben hat) führt dann schließlich gewissermaßen zum Endpunkt der Rassismus-Entwicklung: Dem Überlegenheitsgefühl des eigenen Volkes, der eigenen Weltanschauung etc. über andere. Ist ersteinmal dieser letzte Schritt getan, so hat es selbst der nachträgliche Erwerb von Bildung schwer, gegen solche tief festgesetzten Ideologien anzukämpfen, da der Betroffene nun nicht mehr seine Meinung ändern will, weil er sonst eine vermeintliche Stütze in seinem Leben zu verlieren glaubt.
Natürlich stellen diese Überlegungen nicht den Anspruch, vollständig zu sein, Anmerkungen und Ergänzungen sind ausdrücklich erwünscht.