eine Ära geht zu Ende...

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monochrom

W:O:A Metalmaster
15 Aug. 2002
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Hamburg
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Geisteskrank schrieb:
Find ich nicht lustig....sondern okay, solange man dabei auch vor der eigenen Haustür kehrt...

Was ich nicht sehe - im Gegenteil, wir investieren wie blöd in China und beten darum das der Aufschwung uns mitnimmt. Wer kehrt denn im Westen vor der eigenen Haustür? Gleiches Recht für alle. Hier schränkt sich keine Sau ein - dann wird es da auch keiner tun.
 

Geisteskrank

W:O:A Metalmaster
17 Juli 2002
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Provinz Starkenburg
monochrom schrieb:
Was ich nicht sehe - im Gegenteil, wir investieren wie blöd in China und beten darum das der Aufschwung uns mitnimmt. Wer kehrt denn im Westen vor der eigenen Haustür? Gleiches Recht für alle. Hier schränkt sich keine Sau ein - dann wird es da auch keiner tun.

Stimmt, das sehe ich "Bei uns" auch nur in Maßen - und "drüben" gar nicht...

Es ist ja nicht so, daß ich die Chinesen in irgendeiner Form einschränken will, aber das sind einfach Situationen, die man so bisher nicht hatte. Muß man sich eben drauf einstellen...
 

Baskerville

W:O:A Metalgod
16 Feb. 2004
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FAZ
Das Denken wird chinesisch
Von Richard Kämmerlings, Peking

10. Dezember 2004 Herr Wang ist stolz. Schon auf der Fahrt vom Flughafen ins Zentrum erzählt er vom Bau der sechsten Ringstraße um die Hauptstadt, von der geplanten U-Bahn-Verbindung, von den gigantischen Stadtplanungsvorhaben für die Olympischen Spiele 2008 und den neuen Vierteln im Norden, Westen und Osten der Stadt, wohin nicht zuletzt jene Einwohner umgesiedelt werden, die den Begrünungsprojekten in der Innenstadt zum Opfer fallen - ganze Straßenzüge werden abgerissen und zu Parkanlagen umgestaltet, um dem für westliche Augen und Ohren oft unwirtlichen Peking einen einladenden, grünen Zug zu verleihen.


"In meiner Stadt Bejing", erklärt Herr Wang stolz, sei die Benutzung von
Kohleöfen inzwischen verboten, das vorgegebene Planziel von über zweihundert smogfreien Tagen werde in diesem Jahr sicher übererfüllt.

Das Ende einer Ära
Chinas Hauptstadt wird europäischer, zugleich aber wird Europa, ja die ganze Welt chinesischer. In der Fülle an Wirtschaftsmeldungen, den
Vertragsabschlüssen, Grundsteinlegungen, Investitionsvorhaben und
Auftragsvergaben, die jede Woche aus China vermeldet werden, konnte eine sensationelle Meldung beinahe untergehen, die nicht nur symbolisch eine Zäsur bedeutet: Die chinesische Computerfirma Lenovo hat die komplette Sparte Personal Computer von IBM übernommen.

Das mag aus einer rein wirtschaftlichen Binnenperspektive ein ganz normaler Vorgang sein, eine weitere Fußnote im großen Fortsetzungsroman der Globalisierung. Denn schon lange machte die schwächelnde PC-Sparte nicht mehr den Löwenanteil am Umsatz von IBM aus, so daß über einen Verkauf immer wieder spekuliert worden war. Und dennoch markiert der Kauf in historischer Sicht das Ende einer Ära: jener Ära, in der der Westen (Japan großzügig dazugerechnet) mit dem ökonomisch-technologischen auch einen kulturellen Vorsprung gegenüber allen anderen Weltgegenden besaß.

Eine Botschaft, vielleicht eine Warnung
"International Business Maschines" (IBM) war nicht einfach irgendeine
erfolgreiche Computerfirma. Es war dieses Unternehmen, das mit der Erfindung des Personal Computers die Digitalisierung aller Lebensbereiche erst ermöglicht und damit das Leben und Denken der Menschheit selbst revolutioniert hat. Wenn nun mit der Marke IBM auch das Label "Think" (etwa der Notebook-Sparte "ThinkPad") an die Chinesen übergeht, so ist das mehr als ein geschickter Marketingschachzug. Man sollte es als Botschaft, vielleicht auch als Warnung lesen: Unser Denken wird chinesisch.

Jedenfalls auf der Ebene der Hardware, der Chips und Schaltkreise. Denn IBM stand an der Wiege des Computerzeitalters. Immer schon Pionier der technischen Entwicklung, läutete das Unternehmen am 12. August 1981 mit der Vorstellung des ersten Personal Computers eine neue Zeit ein: Die elektronische Datenverarbeitung wurde von einer Angelegenheit für Experten zu einer öffentlichen Sache. Im Verein mit dem Betriebssystem DOS von Microsoft, das bis in die Windows- und damit die Internet-Ära das Nervensystem des PCs bleiben sollte, vollzog sich die Demokratisierung des Digitalen. Doch die Konkurrenz überholte IBM schon in den achtziger Jahren. 1984 kam Apples Macintosh; die Prozessoren der Konkurrenz wurden immer schneller, und schließlich ging auch Microsoft eigene, bekanntlich höchst erfolgreiche Wege, die allerdings gerade von den Verfechtern des emanzipatorischen Potentials der Computerentwicklung bald als fatale Machtentfaltung eines Monopolisten gebrandmarkt wurden.

Die Vorbilder überholen
Anfang der neunziger Jahre schien IBM selbst reif für den Schrottplatz der Industriegeschichte. Weil die Felle im PC-Geschäft weggeschwommen waren, hat sich die Firma seitdem immer mehr auf Software und vor allem auf lukrative Dienstleistungen wie die Betreuung von Firmenkunden verlegt. Mit dem Kauf steigt das chinesische Unternehmen aber dennoch zum drittgrößten PC-Hersteller der Welt auf, nach Dell und Hewlett-Packard. Das ist noch kein Bedrohungsszenario, doch wird der Auftritt der Chinesen auf der wirtschaftlichen Weltbühne bald ebenso alltäglich sein wie reiche Touristengruppen aus Peking im Louvre und in der Heidelberger Altstadt(Das ist richtig:D).

Für Herrn Wang ist das alles selbstverständlich. Der Touristenführer, der den ausländischen Gästen die Zahl der Pizza Hut-, KFC- und McDonald's-Filialen in der Hauptstadt aufsagen kann (jeweils weit über hundert), hält es nur für eine Frage der Zeit, bis Chinas Großstädte so schön, so weltläufig und aufgeräumt sind wie ihre westlichen Vorbilder. "Neues Bejing, neue Olympische Spiele", in dieser offiziellen Losung kristallisiert sich nur besonders deutlich, was heute jedem China-Reisenden ins Auge springt - der Anspruch, seine Vorbilder gleich zu überholen. Nicht nur Peking, nicht nur Schanghai, nicht nur die großen Wirtschaftssonderzonen wie Chongqing oder Shenzhen - das ganze Land nimmt Anlauf zu einem neuen, gewaltlosen, aber nicht minder radikalen Großen Sprung, bei dem Olympia ebenso wie die Expo 2010 in Schanghai nur Zwischenstufen darstellen, Zusatzmotoren in einem gewaltigen Triebwerk namens Fortschritt.

Die Blaupausen kommen aus dem Westen
Die Umgestaltung der Stadtlandschaft scheint dabei den Planern so leicht von der Hand zu gehen wie die Entwicklung einer neuen Chiparchitektur. Wo keine Verbindung ist, wird sie gebahnt; was im Weg steht, wird abgerissen; wer im Weg steht, sei es in den Innenstädten oder am Ufer des megalomanen Drei-Schluchten-Stausees, zwangsumgesiedelt. Die Blaupausen dieser Transformation werden wie selbstverständlich aus dem Westen übernommen.

Fast täglich geben sich Delegationen aus Europa, Japan und Amerika die Klinke in die Hand. Kurz vor Schröder war Chirac da, und kein westlicher Politiker reist ab, ohne irgendwelchen Fabrikeinweihungen oder Vertragsabschlüssen beigewohnt zu haben. Kaum ein europäischer Starchitekt, der nicht in China im imperialen Stil plant und baut: Die Schweizer Herzog & de Meuron errichten das neue Olympiastadion, der Niederländer Rem Koolhaas das spektakuläre Fernsehzentrum, ein 600-Millionen-Euro-Projekt. Der Deutsche Albert Speer baut bei Schanghai für VW die Autostadt Anting, deren Prunkstück die neue Formel-1-Strecke ist. Gerade die Rückständigkeit des riesigen Landes, seine immer noch enormen Energie- und Infrastrukturprobleme machen neben dem gewaltigen Absatzpotential den Reiz für die ausländischen Firmen aus. Siemens beschäftigt in China über zwanzigtausend Mitarbeiter. Hochtief baut am Drei-Schluchten-Damm das größte Schiffshebewerk der Welt.

Jungbrunnen der erschöpften Moderne
Chinas Wirtschaftsboom ist schon längst aus der Sphäre ideologischer Zukunftsprojektionen der Kommunistischen Partei zum deutlichsten Signal einer globalen Kräfteverschiebung geworden: Wo der Westen kriselt und schwächelt, sich in Gewissenszweifeln und sozialer oder ökologischer Bedenkenträgerei selbst fesselt, da nimmt das Reich der Mitte nach jahrhundertelanger Rückständigkeit wieder das Ruder in die Hand. Eine in Wahrheit - nicht zuletzt wegen der Ein-Kind-Politik - dramatisch alternde Nation erscheint als Jungbrunnen der erschöpften Moderne.

Wie sich hierzulande hartnäckig der Mythos hält, man könne die "Große Mauer" vom Mond aus sogar mit bloßem Auge sehen, so erscheint China heute wieder als Reich des einsamen Superlativs, als wahres Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Nicht nur die rein strategisch denkenden Politiker vergessen dabei gern, daß die Grenzen immer dann sehr schnell erreicht sind, wenn das Macht- und Meinungsmonopol der Partei gefährdet ist. Ausländische Zeitungen sind kaum zu bekommen, und in den (natürlich zensierten) englischsprachigen Organen wie "China Daily" oder im Fernsehen finden bestimmte Themen natürlich nicht statt. Während etwa alle Welt Anteil am Schicksal der orange Revolution in der Ukraine nahm, wurde man in China jeden Tag über das tragische Schicksal der verschütteten Bergleute in Shaanxi auf dem laufenden gehalten. Und wer im Internet surft, wird sich wundern, daß er bestimmte Websites eben nicht aufrufen kann, weil vielleicht zufällig Worte wie "Taiwan", "Dalai Lama" oder "Falun Gong" darin auftauchen.

Einst das trojanische Pferd des Westens?
Trotz der Allgegenwart staatlicher Kontrollinstanzen (man würde gern mal wissen, wie viele Beamte und Rechenkapazitäten mit der Überwachung des Cyberspace mittlerweile beschäftigt sind) verbindet man mit dem Computer und dem Internet die Hoffnungen auf die Entstehung eines offenen, kritischen Diskurses. Im Jahr 2000 gab es in China erst siebzehn Millionen Internetanschlüsse, inzwischen wird ihre Anzahl auf neunzig Millionen geschätzt. Mit dem Anschluß an die technische und wirtschaftliche Entwicklung des Westens sind die emazipatorischen Utopien sozusagen als Attachment dabei, nur muß es auch jemanden geben, der es öffnen will.

Die Träume von einer dezentralisierten Cyberdemokratie, die im Westen längst an der umfassenden Kommerzialisierung des Internets zerbrochen sind, lassen sich hier noch bewahren, vorerst noch nicht von der breiten Masse, sondern in Dissidentenzirkeln, deren Größe niemand so genau kennt. Doch das Versprechen des Personal Computers ist die Zugänglichkeit aller Informationen, Daten und Ideen für alle. Vielleicht wird sich ja IBM einmal als das trojanische Pferd des Westens herausstellen, als der tödliche, nicht einzudämmende Virus, der das System zum Absturz bringt. Die Geschichte des Computers könnte dann erst in China in seine machtvollste, seine politische Phase eintreten. Eine neue Ära mag dann wirklich hier begonnen haben.

Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.12.2004, Nr. 289 / Seite 42
http://www.faz.net/s/Rub117C535CDF4...E5A075D87E0EDD414A~ATpl~Ecommon~Scontent.html
 
Zuletzt bearbeitet:

Geisteskrank

W:O:A Metalmaster
17 Juli 2002
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Provinz Starkenburg
Interessanter Artikel...gerade auch in diesem ZUsammenhang...

...allerdings dachte ich bisher, daß der Bejing´sche Smog eher vom Wüstensand herrührt als vom klassischen Kohlenstaub...
 

Baskerville

W:O:A Metalgod
16 Feb. 2004
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Geisteskrank schrieb:
Interessanter Artikel...gerade auch in diesem ZUsammenhang...

...allerdings dachte ich bisher, daß der Bejing´sche Smog eher vom Wüstensand herrührt als vom klassischen Kohlenstaub...
Das ist dem sicherlich nicht förderlich, wirkt sich aber nicht über das ganze Jahr aus, wobei es diese Hutong's, die traditionellen Viertel, in denen diese Kohlenöfen Gang und gäbe waren, auch schon seit Jahren nicht mehr gibt, auch wenn man das den Touristen glaubhaft machen zu versucht;)
 

monochrom

W:O:A Metalmaster
15 Aug. 2002
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Baskerville schrieb:
Das ist dem sicherlich nicht förderlich, wirkt sich aber nicht über das ganze Jahr aus, wobei es diese Hutong's, die traditionellen Viertel, in denen diese Kohlenöfen Gang und gäbe waren, auch schon seit Jahren nicht mehr gibt, auch wenn man das den Touristen glaubhaft machen zu versucht;)

So ein paar gibt es noch, aber bis Olympia haben die Offiziellen die dort lebenden Menschen sicherlich erfolgreich weggeplant.