Der Osterhase...wer ist er wirklich

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Hansapils666

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4 März 2002
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So süß kann das Böse sein

"Osterhase, warum hast du eigentlich so große Zähne?" "Damit ich besser die Wurzeln auf dem Felde knabbern kann." Millionen Deutsche geben sich in diesen Tagen mit dieser fadenscheinigen Ausrede zufrieden. Sie dulden in Wohn- und Kinderzimmern die Anwesenheit eines Wesen, dem man seine Jahrtausende alte Karriere als verschlagener Dämon unter einer Maske aus Silberpapier überdeutlich ansehen kann, und sie fürchten dennoch nichts dabei. Der Osterhase als Beispiel einer gelungenen Domestizierung des Bösen?


Angeblich gibt es ihn ja erst seit gut 300 Jahren. Die früheste Kunde von einem Eier legenden Hasen, der zur Osterzeit freudig begrüßt wird, stammt aus dem Jahre 1678 von Georg Franck von Franckenau, einem Medizinprofessor aus Heidelberg. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass dieser magische Zwitter erst so spät im Volksglauben auftaucht. Viel plausibel ist, dass mit dem Heraufdämmern des wissenschaftlichen Zeitalters sich allmählich eine Weltsicht verbreitete, welche die dunklen Züge des Hasen nicht mehr wahrnimmt. Vielleicht war es auch so, dass das Christentum wie so oft die unüberwindlichen Reste eines heidnischen Glaubens in sein Brauchtum integrierte.


Jedenfalls wissen wir gar nicht, welchem zwielichtigen Gesellen wir zu Ostern die Haustür öffnen.


In fast allen menschlichen Kulturen galten der Hase und das Kaninchen - mit solchen biologischen Finessen hielt man sich nicht auf - immer als Wesen von schwankender Natur. Im Altertum hielt man sie für doppelgeschlechtlich, in England glaubte man, sie wechselten ihr Geschlecht jährlich. Bonifatius und Papst Zacharias verboten den Mönchen, Hasenfleisch zu essen, weil man dem eine erotisierende Wirkung zuschrieb. Die Furcht und Verehrung, welche man ihm als sexuellem Symbol entgegenbrachte, lässt sich zur Not noch durch platte rationalistische Analogien erklären, weil der Hase nun tatsächlich oft rammelt.


Doch dahinter lauert eine Ahnung von ganz anderen Mächten, die sich mit einem Kuschelfell tarnen: Die Araber fürchteten den Hasen als Reittier der bösen Dschinns und Ghul. Bei den Indianern taucht er als "Trickster" auf - so nennt der Ethnologe betrügerische Geister.


Wie die meisten Dämonen ist auch der Hase vielleicht ein entmachteter Gott. Uralte Mythen in Nordamerika und im alten Ägypten zeigen, dass man seiner überragenden Fruchtbarkeit ursprünglich sogar zutraute, das ganze Universum hervorgebracht zu haben: Die ägyptische Unut und der göttliche Hase, den sich gewisse Indianerstämme als Weltschöpfer über den Wassern schwebend vorstellten, sind Hinweise auf diesen Mythos. Und ebenso gehörten dazu die Speisetabus bei Juden, Muslimen und Anhängern Zoroasters, die den Verzehr des Hasen verboten - möglicherweise weil seine ex-göttliche Zaubermacht noch gefürchtet wurde.


Am reichhaltigsten ist im "Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens" das Wissen um die dämonische Seite des Hasen für Nordeuropa belegt: Kobolde nahmen die Gestalt dreibeiniger Hasen an. Die "Hasenfrau" war früher ein Synonym für die Hexe, weil man zu wissen glaubte, dass diese sich am allerliebsten in Hasen verwandelte. In diesem Volksglauben lebte die Erinnerung an den Hasen als Attribut der Jagdgöttin Diana, dem Urbild aller Hexen. Solche Langohren brachten keine Eier, sondern das Grauen: Das Auftauchen eines Hasen verursacht Krankheiten - wie die Hasenscharte -, den Tod, Viehsterben, verdirbt die Ernte. Unstillbar ist sein Durst auf Milch von Menschen oder Kühen. Die finnischen Schweden glaubten, wenn so ein Milch-Hase am Euter gesaugt habe, gebe die Kuh anschließend blutige Milch.


Als Korndämon nistet der Hase im Feld. In Mecklenburg, so berichtet das "Handwörterbuch", sagte der Schnitter einst, bevor er ie letzten Halme mit der Sense mähte: "De Has soll nu rut." Zur Beschwörung dieser Tiere, die als Vegetationsgeister auch das Wachstum beeinflussten, rieb man sich vor der Aussaat die Hände mit Hasenfett ein.


Und natürlich hat auch der Teufel eine besondere Beziehung zum Hasen: Nach einem Lausitzer Aberglauben kauft er zur Weihnachtszeit Hasen. Noch lieber allerdings nimmt der Gottseibeiuns selber dessen Gestalt an. Allerdings ist er dann leicht zu erkennen: Er ist entweder lahm, mit Hufeisen beschlagen oder hat Hörner anstatt der Ohren.


Erst als der Hase Bestandteil des christlichen Osterfests wurde, musste man diese magische Vergangenheit verdrängen. Der Hase selbst tritt nicht mehr als Geist auf, doch er wird in einem Akt rückwärtsgewandter Symbolik von Zauberern aus dem Hut gezogen - ohne dass diese wissen, mit was für potenziell gefährlichen Tieren sie hantieren. Hexen verwandeln sich jetzt lieber in Katzen - aber die nennt der Volksmund ja Dachhasen. Das Wissen um die Magie des Hasen überlebt in Redensarten. Derjenige, der weiß, "wie der Hase läuft", verfügt über Macht. Auch den Dichtern ist der Hase nicht ganz geheuer: Das Kanichen in "Alice in Wonderland" beißt sich selbst den Kopf ab, in Jefferson Airplanes Drogenhymne "White Rabbit" ist das Tier Inbegriff des lauernden Unterbewusstseins. Und ausgerechnet die Klamauktruppe von "Monty Python's Flying Circus" beschwor in ihrem Film "Die Ritter der Kokosnuss" ein ganz authentisches Stück Mittelalter: Wenn das "Killerkaninchen" seine Opfer zerfleischt, lacht der moderne Kinogänger über soviel Absurdität. Die Menschen zur Zeit der Gralsritter wussten dagegen noch ganz genau, dass in jedem Hasen die Hölle lauern kann.