Das erste Wacken - und ab jetzt immer...
Wacken Anfängerin mit über 40 zu sein - als Begleitperson für einen nicht Volljährigen - eine schwierige Aufgabe? Nein!!!
Nachdem ich mir "meine Musik" aufs Handy geladen - Bücher und Ohrenstöpsel eingepackt hatte, Gummistiefel und natürlich alles rund ums Campen, dachte ich, das werde ein ruhiges Wochenende am Zelt...
Meine Vision - lesen, Stöpsel rein, bißchen Leute gucken und faulenzen.
Hinfahrt mit zwei Jungs von 17, einen, der nach Bremerhafen weiter wollte in Hamburg rausgeworfen. Die Freude nach mehr als 7 Stunden nun endlich anzukommen wurde jäh gebremst durch einen Motorschaden bei der Weiterfahrt...
6 Stunden später ein Mietwagen mit Zusatzversicherung, frau weiß ja nicht was einen auf Wacken erwartet.
Ankunft nachts, hilfloses Umkreisen des Wackengebiets - wo bitte gehts zum Camping?
Juchu eine Einfahrt - auf Nachfrage - suchen Sie sich mal einen freien Platz - aha - nachts...wo ist was? wo darf ich? Die Pläne sind mir bis heute vollkommen unverständlich geblieben... Die Aufteilung der Aereas ebenfalls
Irgendwo geparkt, jemand kommt sagt - das ist R, reserviertes Campingelände und hier soll eine Durchfahrt bleiben. O.K. also doch nicht wo ich will...
Die Nachfrage bei einem offiziell wirkenden Menschen ergibt ein breites Grinsen auf seinem Gesicht und ich solle mal stehen bleiben... das sei schon in Ordnung.
Also Zelt aufbauen, Nachbarn kommen rüber, quatschen, trinken - schlafen! Hmmm, nette Jungs! Ziemlich besoffen aber sehr freundlich!
1. Tag Wacken - morgens - hell - freie Sicht - boah! So viele Zelte, Menschen und immer noch, wo bin ich? Wo sind Toiletten?
All das geht dann ganz schnell - der 17 jährige verschwindet mit seinem zelt seine Freunde suchen - Abmachung, 1 x tgl. melden... na ja...
Die Mutter orientiert sich - Kaffee, Toiletten, Duschen, Nachbarn...
Nach der ersten halben Stunde bin ich dann bei allen Nachbarn eingeladen... als Alleinreisende - der Sohn hat sich ja davongemacht muss ich also nicht alleine sein...
Den Tag verbringe ich mit Orientierungsversuchen - laufe zum Holy Wacken - zurück - entscheide die eine oder andere Band zu sehen und staune...
Was zum Teufel ist das hier? So viele wilde Gestalten, so trunken, so vulgär, so laut und...
...so hilfsbereit
...so umsichtig
...so offen
...soharmonisch all das...HÄH?
Ich komme mir vor wie bei nem Ausflug in die Klapse, alle sehen vollkommen anders aus als sie sich benehmen, alles Verhalten ist wie mit Weichzeichner in einen Traum verwandelt. Was haben die bloß eingeworfen?
Nichts! Gar nichts! Es ist einfach so...
Bei der Frage nach dem Weg erhalte ich ein Bier, ein Steak und gute Unterhaltung - mit Leuten die locker 20 Jahre jünger sind als ich...
Angetrunken aber nicht bedröhnt...
(Hierin bin ich Fachfrau - ist mein Job - ich sehe es!)
Ich werde aus anstrengenden Gesprächen "gerettet", werde angerempelt und dann als Entschuldigung umarmt,
angetrunkene Jungs fragen nach ner Zigarette, bedanken sich und erklären sich als von mir adoptiert ;-)
Aufforderungen zum Ficken, Ausziehen oder Anderem werden abgemildert und mit Humor und kreativ-witzigen Sprüchen werde ich aus "Situationen" in denen mir meine Schlagfertigkeit abhanden kommt befreit,
als ich an den ADAC schreibe - am Rentless-Stand - um mich zu bedanken, werde ich gefeiert - weil alle es toll finden,
Der "Schotte" von Van Canto kommt vor dem Konzert herunter und umarmt den Rakka Takka Chor..., "harte" Kerle haben beim Auftritt von Van Canto wegen deren offensichtlicher Freude über so viel Publikum Gänsehaut und Tränen in den Augen,
ein mich nach dem Weg Fragender muss morgen früh Kühe melken, kann leider nicht länger bleiben...
Hingefallene werden aufgehoben, Getränke geteilt, Sitzgelegenheiten, Regenschutz...
Ich werde vor dem wilden Herumgehüpfe geschützt, an eine sicherere Stelle gebracht, gefragt, ob ich gut sehen kann...
Ich staune mit weit aufgerissenen Augen und kanns nicht glauben!
Innerhalb von kürzester Zeit fühle ich mich wohl, geborgen, dazugehörig...
Natürlich sehe ich auch den Müll, finde die Dixieklos ätzend - wobei es immer schnell die Runde machte wenn sie gesäubert worden waren...
Im Supermarkt bekomme ich alles was ich brauche - sogar Mädelsnotfallzeugs ;-)
Nach drei Tagen bin ich platt, soviel Input...und so erfüllt, zufrieden, ausgeglichen, wie schon lange nicht mehr!
Dann gehts heim, Autobahnraststätte - W-O-A all over - Gespräche - "Wackengebrüll" mit Handzeichen, dass ich mittlerweile dann auch kann
Ich gebe jemandem 50 Cent für die Toilette - er hat kein Kleingeld - und er sucht mich in den Massen, gibt mir den Raststättenbon, der dann wiederrum 50 Cent wert ist - hallo, ist der Traum wirklich noch nicht zu Ende? Seid Ihr echt? Seid ihr immer so? Wo seid ihr im Alltag?
Im Stau ständiger Kontakt zu WOA Leuten...von Auto zu Auto, es ist noch nicht zu Ende...
Nächste Raststätte, an unserem Auto hängt ein Wackengruß als wir wiederkommen, eine WC - Plastikkarte - von wem auch immer - wir lachen und freuen uns...
12 Stunden später - zu Hause - am Ende mit den Nerven...auspacken - morgen arbeiten!
Das Erste was ich dann aber mache, ich schmeiße den PC an, warte bis 0 Uhr und ergattere - leider nur einen Christmas-pack für 2012...nach kurzer Zeit waren die Girlies ausgebucht...na ja denke ich, für meinen Sohn - vielleicht legt sich mein "Wacken-Wahn" ja schnell wieder...
Aber:
Ich kann nicht genug bekommen von Wacken - schaue Fotos, Berichte, lese...
Ich kann nicht aufhören zu schwärmen, begegne im Alltag Menschen die da waren - hin möchten oder einfach nur anfangen mit mir über Musik zu sprechen.
Manchmal habe ich den Eindruck man glaubt mir nicht ;-) - tja selbst hinfahren...erleben...sage ich da nur!
Mein "Bändchen" am Handgelenk ist ein Erkennungszeichen und wird immer wieder angesprochen, oft am Tag nervt mich dieser Metallverschluß bei der Arbeit, aber immer wenn ich es anschaue, drehen muss, kriege ich ein grinsen ins Gesicht und ein tolles warmes Gefühl in den Bauch...
Es ist auch im Nachhinein immer noch wie ein Traum, zu schön um wahr zu sein...
Danke, all denen denen ich begegnet bin, die mir halfen, mit mir sprachen, die Wacken zu dem machen, was es ist!
Auf Wiedersehen im nächsten Jahr, die Karte ist schon bestellt! und die Wartezeit bis dahin scheint mir noch unendlich lang...
Herbst67